Was sollen wir tun? –
Kehrt um!
Und wir? –
Kehrt um!
Und wir? –
Unerbitterliche Stimme
noch bis zu mir:
Kehr um!
Ch. Doepgen OSB
Der Auftrag des Johannes
ist es, die Umkehr zu predigen.
Menschen dazu einzuladen,
ein Zeichen der Umkehr zu setzen:
Die Taufe der Umkehr
zur Vergebung
der Sünden.
Vor keinem macht der
Ruf des Johannes halt.
Er betrifft die Menschen
damals. Er betrifft die Menschen
heute. Er trifft auch mich.
„Kehr um!“
Die Umkehr,
die Johannes meint,
wird in starken Bildern zum
Ausdruck gebracht:
Straßen sollen gerade gemacht
werden; Schluchten sollen aufgefüllt
werden; Berge und Hügel sollen
abgetragen werden.
Umkehr, wie sie das Evangelium
meint, bedeutet immer einen
massiven Eingriff in die Landschaften
unseres Lebens, unserer Seele,
unseres Herzens.
Wollen wir eine solche
Veränderung unserer Landschaften
zulassen? Jetzt gäbe es die
Möglichkeit hierzu.
Da gibt es möglicherweise
Befürworter und auch Gegner.
Wie bei jedem Eingriff in
eine Landschaft.
Auf welcher Seite stehe ich?
Wenn mein Ziel Leben
bedeutet; wenn es darum geht,
echter, also authentischer und
stimmiger zu leben, in Einklang
mit mir selbst; wenn es
mir ein Anliegen ist, zu mehr
Erfüllung und Sinn zu finden
und zum Wesentlicheren vorzustoßen;
zu welchen Eingriffen in meine
Lebenslandschaft, Seelenlandschaft,
Herzenslandschaft wäre ich bereit?
Wohin würde ich mich
verändern wollen?
Oder sollte etwa
alles beim Alten
bleiben?
Was mich an dem
heutigen Evangelium stört ist,
dass es zu sehr mit den Defiziten des
Menschen rechnet. Es
setzt voraus, dass vieles im
Leben dieser Welt und
des Menschen nicht rund
läuft und es deshalb
zu einer Veränderung
in den Einstellungen und
Haltungen kommen
muss.
Dabei geht es nicht nur
um das eigene Leben.
Es geht zuerst um Gott und darum,
dass er in meinem Leben
endlich ankommen kann.
Das ist das Ziel der Veränderung
und Umkehr: Gottes Gegenwart
zu erfahren und mit ihr ein
Leben, wie es Gott für mich
gedacht hat.
Frei,
unverstellt,
heil,
erlöst.
Diese Welt ist defizitär.
Ich bin es auch. Wir alle
sind es und leiden einmal
mehr und einmal weniger
darunter.
Täglich stoße ich auf
Unzulänglichkeiten
im Großen wie im Kleinen,
im Öffentlichen wie im Privaten.
Es braucht eine Veränderung
in Einstellungen und Haltungen
von uns Menschen.
Landschaftsveränderungen.
Ja, sicherlich ja.
Aber nicht nur.
Da gibt es nämlich auch unendlich viel
Gutes und Schönes und Gelingendes
in unserer Welt und im Leben eines
jeden Menschen auch. Und Gott
ist dieser Welt nicht nur fern.
Er ist mitten drin. In der Welt,
in deinem und in meinem
Leben.
Und es sind
nicht nur Straßen gerade
zu machen. Und es sind nicht nur
Schluchten aufzufüllen. Und es
sind nicht nur Berge und Hügel
abzutragen. Vieles kann und
darf so bleiben wie es ist.
Dort, wo Gott schon
längst zu uns gefunden hat
und wir zu ihm.
Die Frage des Advents
lautet für mich heute:
Wo ist Gott schon
angekommen?
In dieser Welt.
Im Leben der Anderen.
In meinem ganz eigenen
Leben? Im Leben unserer
Gemeinde und unserer
Kirche. Was tut da Gott
bereits?
Viele unter uns wurden
stets dazu angehalten,
das Unzulängliche mehr zu sehen
und die Defizite der anderen
wie auch die ganz eigenen
auch.
Jedoch haben wir es verlernt,
das Gute und das Gelingende in diesem
Leben zu würdigen und bei Menschen
anzuerkennen, auch bei uns selbst
anzunehmen und wertzuschätzen.
An dieser Einstellung hat
die Kirche ihren wesentlichen
Anteil. Ich meine jene Kirche,
die rückblickend immer wieder
Schuld und Versagen des
Menschen in den Vordergrund
gestellt hat und zum Teil
immer noch stellt.
Dabei wurden wir schon
lange aus den Verstrickungen
des Lebens und der Schuld
erlöst.
„Was sollen wir tun? –
Kehrt um!
Und wir? –
Kehrt um!
Und wir? –
Unerbitterliche Stimme
noch bis zu mir:
Kehr um!“
Ja, kehr um, nimm einmal
das in den Blick, was dir
gelingt, was anderen gelingt,
was in dieser Welt am
Gelingen ist.
Blick einmal mit einer
guten Absicht auf das Leben;
der Absicht, das Schöne
und Gute darin erkennen
zu wollen. Schlussendlich
Gottes Spuren in dieser
Welt entdecken zu wollen.
Denn die sind da!
Wo in meinen Leben,
wo im Leben dieser Welt
und ihren Zusammenhängen
erkenne ich, dass Gott bereits
angekommen ist? Wo ist
er schon da? Und was tut
er bereits an mir, an anderen
an uns allen? Wo hat Umkehr schon
längst begonnen und sind
Menschen auf einem guten
Weg, auf einem Weg zueinander
über alle Unterschiede und
Grenzen hinweg; auf einem
Weg zu Gott in Glauben,
und Hoffnung und
Vertrauen?
Wollen Sie einmal darüber
nachdenken? Wollen Sie einmal
auf Entdeckungsreise gehen
in den Landschaften Ihres
eigenen Lebens und dem
der anderen auch?
Der Advent bekäme
dadurch sicherlich ein ganz
anderes Gewicht, ein anderes
Gesicht. Da kann es mit einem
Mal, so ganz unvermittelt,
heller werden um uns
und immer auch in
uns selbst.
Und mitten im
Dunkeln fängt da an, ein
Licht zu leuchten, von dem
Menschen angelockt werden;
eingeladen werden sich niederzusetzen
und Platz zu nehmen.
Ganz plötzlich merkt
der ein oder andere unter ihnen:
Gott ist schon längst angekommen:
Bei dir, bei mir, in dieser Welt.
Advent würde so
bedeuten, die Augen für
die Gegenwart Gottes
zu öffnen und bereit
zu sein, ihn in
den Zusammenhängen
des Lebens zu entdecken.
In dir und auch in mir.
Gott ist uns und dieser Welt
innerlicher als wir es uns
selbst sind. Kehr um!