Man sagt, der neue
Glaube und seine Anhänger
hätten es nicht leicht gehabt, sich
zu behaupten.
Die etablierte Religion
hätte ihnen im Weg gestanden
und seine Ausbreitung
verhindert.
Sie sah den neuen Weg,
als dessen Anhänger Christen
sich bezeichneten, als eine
zu große Gefahr an.
Unheimlich.
Revolutionär.
Aufständisch.
Zu viel, was bislang als
gesichert galt, wurde durch
den neuen Glauben in
Frage gestellt und in
seinen Grundfesten
angegriffen.
Dafür verantwortlich
war ein Mann, Jesus von
Nazareth. Was mit ihm
geschehen war, verunsicherte
viele.
Und wie sollte man
mit Worten umgehen,
die Trauende, die Verfolgte
und Beladene seligpreisen,
dazu einladen, seinem
Gegner die Hand
zum Frieden zu
reichen und für den
Feind zu beten?
Worte, wie diese
stellten alles auf den Kopf.
Worte, wie diese wiegelten
das Volk auf.
Worte wie diese forderten
heraus.
Da schien es besser,
den Aposteln das Wort
zu verbieten und ihnen
Einhalt zu gebieten,
im Namen Jesu zu
lehren, wie es die
heutige Lesung aus
der Apostelgeschichte
erzählt.
Doch Verbote helfen
nicht weiter, wenn es um
Jesus geht. Seine Botschaft
breitet sich aus, immer
mehr und immer weiter.
Die Apostel lassen sich
den Mund nicht verbieten.
Wie sieht es heute aus?
Welche Rolle spielt
der Glaube in unserer
Gesellschaft?
Welchen Einfluss hat er auf
unser Zusammenleben
und unsere Antworten
auf die herausfordernden
Fragen dieser Zeit?
In einer Zeit, in der
unsere Gesellschaft sich
immer mehr säkularisiert,
verweltlicht, spielt der Glaube
für viele keine entscheidende und
wesentliche Rolle mehr.
Gewiss, man setzt sich
noch mit der Kirche als Institution
und System und ihren Schattenseiten auseinander, doch Fragen, die das Wesentliche
betreffen, Fragen nach dem Ganzen,
nach dem Sinn all dessen, was
um uns herum passiert und die
Antworten, die der Glaube
auf all dies gibt, scheinen
nur noch wenige zu
interessieren.
Was ist die Antwort
unseres Glaubens auf die
Erfahrungen der beiden
vergangenen Jahre und
die Entwicklungen, die
die Pandemie in unserer
Gesellschaft hervorgerufen
hat? - Gibt es überhaupt
Antworten?
Was ist die Antwort
unseres Glaubens auf
die zunehmende Ausbeutung
von Schöpfung und die Entwürdigung
des Menschen. Die Zerstörung
dieser Welt und klimatischer
Herausforderungen?
Gibt es überhaupt
Antworten?
Was ist die Antwort
unseres Glaubens auf diesen
verheerenden Krieg in der
Ukraine und überhaupt
auf so viel Böses und
Vernichtendes und Leid
in dieser Welt?
Gibt es überhaupt
Antworten?
Es gibt Antworten, die
der Glaube zur Verfügung
stellt.
Die Frage ist, ob wir
sie uns zu sagen
getrauen.
Ob wir den Mut
haben, sie in diese Welt
hineinzusprechen, dabei
nichts zu beschönigen,
sondern die Dinge beim
Namen zu nennen, auch
die Ohnmacht des Glaubens
anzuerkennen und ein
Schweigen auszuhalten, dort,
wo einfach keine Antwort
zu finden ist?
Ein Schweigen auch
vor einem Gott, der einem
gerade in den Widersprüchen,
in die uns dieses Leben
hineinstellt, so unheimlich
und unverständlich vorkommen
muss und der uns keine
Erklärungen gibt, schon
gar nicht die Dinge, die
uns zusetzen und zerstören,
bereit ist, einfach
beiseitezuschieben.
Wir kommen damit
vor der Frage zu stehen,
die wir immer gerne auszublenden
bereit sind, wenn es um Gott
und das Leid in dieser
Welt geht.
Wir reiben uns daran,
an die Existenz eines guten
Gottes zu glauben und zugleich
anzuerkennen, dass es in dieser
Welt so viel an Leid
gibt, auch mit diesem
Gott an unserer Seite.
Wie passt beides
zusammen, der Gott Jesu
Christi und das Leid?
Manchmal gleicht
unser Leben und Erleben
eher den Erfahrungen
des Karsamstags.
Der Tag, an dem die
Welt still stand, nichts
sich mehr bewegte,
weder in die eine
noch in die andere
Richtung und die Anhänger
Jesu, seine Apostel
und viele andere mit ihnen,
so unendlich allein gewesen
waren mit dem, was geschehen
war.
Das Leben verschont uns
nicht vor diesem Erleben.
Und Gott tut es anscheinend
auch nicht. Ich weiß nicht
warum.
Ich komme an diesem
Punkt selbst an meine ganz
eigenen Grenzen und will
mich nicht irgendwelcher
theologischer Theorien
hinsichtlich der Frage
nach dem Leid bedienen,
die am Ende möglicherweise
den Verstand, aber niemals
das Herz eines Menschen
erreichen könnten.
Und ich begreife für mich
selbst, dass ich diesen
großen Widerspruch nicht
auflösen kann.
Und dennoch
will ich nicht in die
Irre gehen, nicht verzweifeln,
weder an mir selbst,
am anderen, noch
an Gott.
Ich finde mich wieder
in den letzten Worten des
heutigen Evangeliums:
„Als du jünger warst,
hast du dich selbst gegürtet
und gingst, wohin du wolltest.
Wenn du aber alt geworden bist,
wirst du deine Hände ausstrecken
und ein anderer wird dich gürten
und dich führen, wohin du nicht
willst.“
Wenn man jung ist,
hat man nicht selten den
Eindruck, dass man alles
erreichen könnte, dass
man eine ganze Welt
aus ihren Angeln
heben könnte.
Die Erfahrungen des
Lebens aber lehren uns,
dass es Momente und Augenblicke
in unserem Leben gibt, denen
wir einfach nur ausgeliefert
sind, Momente und Augenblicke,
in denen wir gegürtet werden,
dorthin geführt werden,
wohin wir nicht möchten.
Ich wünschte mir, dass
Gott mich in solchen Augenblicken
umgürtet und mich zu sich führt,
in sein Licht, in sein Leben.
Ihm will ich mich dann gerne
ergeben.
Und, ich finde mich
mit all diesen Gedanken
wieder in einem Gedanken
von Huub Oosterhuis:
„Du, der gerufen hat „Licht“
und das Licht wurde geboren,
und es ward gut, es wurde Abend
und Morgen, damals wir heut.
Du, der gerufen hat „o Mensch“
und wir wurden geboren.
Du, der mein Leben so geführt
hat, wie bisher, dass ich noch lebe.
Denn du bist der Gott, größer als
mein Herz, der mich hat gesehn,
ehe ich war geboren.
Du, der Liebe ist, tief wie das
Meer, hell wie der Blitz und
stärker als der Tod, lass
mich nicht verloren gehen,
ein Menschenkind.
Du, der keinen Namen
vergisst, keinen Menschen
verachtet, lass nicht den
Tod, der alles trennt und
aushöhlt … über uns kommen.
Denn du bist der Gott,
größer als mein Herz,
der mich hat gesehn,
eh ich war geboren.
Für alle, die gekreuzigt
werden, sei nicht niemand,
sei ihre Zukunft unbesehn.
Für die Menschen, die von dir
verlassen sind, für alle, die ihr
Schicksal nicht ertragen, für
die, die wehrlos sind in den
Händen von Menschen.
Für deine Namensverwandten
in unserer Mitte: Flüchtlinge,
Fremde, sei nicht niemand.
Für die, die Kraft ausstrahlen,
Liebe geben, Recht tun, dass
sie standhaft bleiben in
unserer Mitte.
Denn du bist der Gott,
größer als mein Herz,
der mich hat gesehn,
eh ich war geboren.
Du, der trotz allem scheinbaren
Schicksal uns festhält.
Du, der Freude hat am Menschen.
Du, der das Wort zu uns gesprochen
hat, das unsere Seele erfüllt.
Lass uns nicht leer und verloren
und ohne Aussicht, lass uns offen
werden für die Vision von Frieden,
die seit Menschengedenken uns
ruft.
Denn du bist der Gott,
größer als mein Herz,
der mich hat gesehn,
eh ich war geboren.
Beschleunige den Tag deiner
Gerechtigkeit. Sieh nicht länger an,
dass überall in dieser Welt
Menschen gefoltert werden,
Kinder getötet, dass wir die
Erde schänden und das Licht
einander rauben.
So wie ein Hirsch dürstet
nach lebendem Wasser,
lass uns so verlangen nach
dem Tag da wir – jetzt noch
versprengte Menschen –
in Deiner Stadt versammelt
sind, in Dir vereint und
vollendet, in Dir verewigt.
Gedenk deiner Menschen,
dass sie nicht umsonst geboren
sind.
Denn du bist der Gott,
größer als mein Herz,
der mich hat gesehn,
eh ich war geboren.“ (H.O)
Wie recht die
Mächtigen dieser Welt
damals hatten. Gewalt
und Verachtung konnten
den Worten der Apostel
von Jesus nichts anhaben.
Sie können immer noch
nichts gegen Jesus
ausrichten.
Seine Name erfüllte
ganz Jerusalem und bleibt
seitdem die Hoffnung
für die ganze Welt.
Amen.