29. Sonntag









29. Sonntag Lesejahr B - Mk 10,35-45


Der christliche Glaube

und seine Ansprüche scheinen

dieser Welt und ihren ganz

eigenen Ambitionen

entgegenzulaufen.


Er setzt in vielem

die Prioritäten

anders, misst anders,

gewichtet anders.

Und genau das macht ihn

zu einer Herausforderung

für viele. Möglicherweise

auch zu einer Provokation.


Vor dem Hintergrund

des Evangeliums zählt

vieles nicht mehr, was aus

der Perspektive dieser Welt

betrachtet, als sehr

wesentlich

gilt.


Zu den Fragen, die in

diesem Zusammenhang

zu stellen sind, gehört

auch die Frage nach

der Macht.


Wie versteht sie

das Evangelium?

Was bedeutet sie

in den Strukturen und

Systemen dieser Welt

und welche Rolle

spielt sie auch für

jeden einzelnen?


Wer die Macht

hat, hat das Sagen.

Wer die Macht hat,

kann Entscheidungen

herbeiführen.

Wer die Macht hat,

bestimmt.


Macht zu haben

ist nicht an und für sich

bereits schlecht.

Es kommt darauf

an, wie diese Macht

gebraucht wird, eingesetzt

wird, wozu der Mensch

sie sich zu Diensten

macht.


Wer Macht hat, kann

auch sehr viel zum Guten

bewegen. Kann Veränderungen

herbeiführen. Erneuerungen

und Wandel bewirken.


Seit geraumer Zeit sprechen

viele über das Phänomen

des Machtmissbrauchs.

Macht wird missbraucht,

wenn sie nicht dem Wohl

des Menschen dient,

wenn sie den Menschen

krank macht, demütigt,

klein macht und

abhängig.


Von Machtmissbrauch

ist auch in unserer Kirche

die Rede. In vielen Bereichen

wurde und wird die übertragene Macht

pervertiert, schamlos ausgenutzt.


Die Macht in den Händen der

Falschen hat Menschen

zerstört, verletzt,

zerbrochen.


Machtmissbrauch

geschieht sehr oft auf

eine sehr subtile und

unbewusste Weise.


Manchmal sind sich die

Opfer gar nicht bewusst,

wie sehr sie durch den anderen,

der die Macht hat, manipuliert

werden, beeinflusst, gelenkt.


In diesem Zusammenhang

ist in unserer Kirche

die Rede von einem

geistlichem Missbrauch.

Wer andere geistlich

missbraucht, übt Gewalt

an ihnen aus. Er begeht

ein Verbrechen.


Die Versuchung zur Macht

ist immer gegeben, ganz

gleich in welchen Systemen

der Mensch sich bewegt.

Nicht nur in dem System

Kirche.


Die rechte Ausübung von Macht

wird zur Frage in Politik, in Gesellschaft

und Staat. Sie wird immer zur Frage,

wo Menschen aufeinandertreffen,

es miteinander zu tun bekommen,

sich gegenseitig beeinflussen,

Macht übertragen

bekommen.


Die Herausforderung besteht

zunächst darin, zu erkennen,

in welchem Geist jemand

spricht und schließlich

handelt.


Sehr eigennützig mutet

in diesem Zusammenhang

das Begehren von Johannes

und Jakobus an, wenn sie

Jesus um die Plätze rechts und links

neben ihm bitten.


Was steht hinter dieser

Bitte? Worum geht es den

Beiden? Was denken sie

sich dabei? Haben sie Angst

selbst zu kurz zu kommen?

Unter welchem Defizit

leiden die beiden

Jünger? Wonach

streben sie?


Jesus selbst ist sich

seiner Macht bewusst

und auch den Grenzen,

die seiner Macht gesetzt

sind:

„Den Platz zu meiner

Rechten und zu meiner

Linken habe nicht ich

zu vergeben.“


Auf den Machtkampf

unter den Jüngern lässt

Jesus sich gar nicht erst

ein. Im Gegenteil.


Jesus zeigt mit seiner

Antwort in eine ganz

andere Richtung. Von Macht

ist auf einmal gar nicht mehr

die Rede:


„Wer bei euch groß sein

will, der soll euer Diener sein,

und wer bei euch der erste

sein will, der soll der Sklave

aller sein.“


Das Wort Jesu muss

erst einmal übersetzt

werden, damit wir seine

Bedeutung für uns Menschen

heute ermessen können.


Haben Sie eine Ahnung,

was es für Sie selbst

in den Kontexten, in

denen Sie sich bewegen,

bedeuten könnte?

Diener zu sein.

Sklave zu sein.


Was heißt dies mit dem

Blick auf die Menschen,

die mir am Herzen liegen?

Was heißt es mit dem

Blick auf die Menschen,

denen ich täglich begegne,

bei der Arbeit, beim Einkaufen

oder denen, die mir Freund

und Freundin sind?


Was heißt es mit dem Blick

auf die Menschen, die mir

anempfohlen sind, als

Lehrer*in,

als Erzieher*in,

als Vater und Mutter,

als Arbeitgeber*in,

unter Kollegen

und Kolleginnen?


Was heißt dies mit

dem Blick auf die Ausübung

von Macht, die mir in

manchen Bereichen

gegeben ist?


Der christliche Glaube

und seine Ansprüche scheinen

dieser Welt und ihren ganz

eigenen Ambitionen

entgegenzulaufen.


Er setzt in vielem

die Prioritäten

anders, misst anders,

gewichtet anders.

Und genau das macht ihn

zu einer Herausforderung

für viele. Möglicherweise

auch zu einer Provokation. –

Weil unser Gott in der

Person Jesus von Nazareth

selbst eine Provokation für

viele darstellt.


Wir glauben an einen Gott,

der nicht an seiner Macht

festhält, der nicht auf seinem

Stuhl kleben bleibt, der nicht

seines Machterhalts wegen

über Leichen geht. Der sich

nicht mir Ellenbogen durchsetzt,

und durch Intrige versucht,

Einfluss und Macht zu

gewinnen, zu bewahren,

sich zu erhalten.


Der christliche Gott

entäußert sich seiner Macht,

macht sich selbst klein,

unterwirft sich, um des

Menschen willen.

Wird selbst Mensch

wie wir, in allem

uns gleich, außer

der Versuchung

zur Macht, außer

der Sünde.


Der christliche Gott

ist nicht um sein eigenes

Ego bedacht, sondern

stellt das Gegenüber

in den Mittelpunkt.

Der Mensch ist und

bleibt ihm ein Anliegen.


„Um Machtmussbrauch

zu verhindern“, meint

der Erzbischof von Bamberg,

„müsse Macht stärker

kontrolliert werden.

Wahrhaftigkeit und Transparenz

bei jeder Amtsführung sind

gefordert. Seilschaften,

Männerbünde und Klüngel –

Quellen des Machtmissbrauchs –

sind mit der Botschaft Jesu

unvereinbar.“


Ein Korrektiv, das

Machtmissbrauch

aufdecken könnte, steckt für

mich, unter vielen anderen

Möglichkeiten, in dem Gebet

des heiligen Franz von

Assisi.


„Herr, was willst du,

dass ich tue.“

Dieses Gebet

stellt nicht die eigene

Selbstbefriedigung

in den Mittelpunkt,

sondern die Absicht

Gottes.


Es bietet eine ganz

andere Perspektive an.

Eine Perspektive die

durchaus befreiend

sein könnte für manchen

Kirchenmann, für manchen

Politiker oder Politikerin

auch für uns selbst.


„Herr, was willst du,

dass ich tue.“

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