Der christliche Glaube
und seine Ansprüche scheinen
dieser Welt und ihren ganz
eigenen Ambitionen
entgegenzulaufen.
Er setzt in vielem
die Prioritäten
anders, misst anders,
gewichtet anders.
Und genau das macht ihn
zu einer Herausforderung
für viele. Möglicherweise
auch zu einer Provokation.
Vor dem Hintergrund
des Evangeliums zählt
vieles nicht mehr, was aus
der Perspektive dieser Welt
betrachtet, als sehr
wesentlich
gilt.
Zu den Fragen, die in
diesem Zusammenhang
zu stellen sind, gehört
auch die Frage nach
der Macht.
Wie versteht sie
das Evangelium?
Was bedeutet sie
in den Strukturen und
Systemen dieser Welt
und welche Rolle
spielt sie auch für
jeden einzelnen?
Wer die Macht
hat, hat das Sagen.
Wer die Macht hat,
kann Entscheidungen
herbeiführen.
Wer die Macht hat,
bestimmt.
Macht zu haben
ist nicht an und für sich
bereits schlecht.
Es kommt darauf
an, wie diese Macht
gebraucht wird, eingesetzt
wird, wozu der Mensch
sie sich zu Diensten
macht.
Wer Macht hat, kann
auch sehr viel zum Guten
bewegen. Kann Veränderungen
herbeiführen. Erneuerungen
und Wandel bewirken.
Seit geraumer Zeit sprechen
viele über das Phänomen
des Machtmissbrauchs.
Macht wird missbraucht,
wenn sie nicht dem Wohl
des Menschen dient,
wenn sie den Menschen
krank macht, demütigt,
klein macht und
abhängig.
Von Machtmissbrauch
ist auch in unserer Kirche
die Rede. In vielen Bereichen
wurde und wird die übertragene Macht
pervertiert, schamlos ausgenutzt.
Die Macht in den Händen der
Falschen hat Menschen
zerstört, verletzt,
zerbrochen.
Machtmissbrauch
geschieht sehr oft auf
eine sehr subtile und
unbewusste Weise.
Manchmal sind sich die
Opfer gar nicht bewusst,
wie sehr sie durch den anderen,
der die Macht hat, manipuliert
werden, beeinflusst, gelenkt.
In diesem Zusammenhang
ist in unserer Kirche
die Rede von einem
geistlichem Missbrauch.
Wer andere geistlich
missbraucht, übt Gewalt
an ihnen aus. Er begeht
ein Verbrechen.
Die Versuchung zur Macht
ist immer gegeben, ganz
gleich in welchen Systemen
der Mensch sich bewegt.
Nicht nur in dem System
Kirche.
Die rechte Ausübung von Macht
wird zur Frage in Politik, in Gesellschaft
und Staat. Sie wird immer zur Frage,
wo Menschen aufeinandertreffen,
es miteinander zu tun bekommen,
sich gegenseitig beeinflussen,
Macht übertragen
bekommen.
Die Herausforderung besteht
zunächst darin, zu erkennen,
in welchem Geist jemand
spricht und schließlich
handelt.
Sehr eigennützig mutet
in diesem Zusammenhang
das Begehren von Johannes
und Jakobus an, wenn sie
Jesus um die Plätze rechts und links
neben ihm bitten.
Was steht hinter dieser
Bitte? Worum geht es den
Beiden? Was denken sie
sich dabei? Haben sie Angst
selbst zu kurz zu kommen?
Unter welchem Defizit
leiden die beiden
Jünger? Wonach
streben sie?
Jesus selbst ist sich
seiner Macht bewusst
und auch den Grenzen,
die seiner Macht gesetzt
sind:
„Den Platz zu meiner
Rechten und zu meiner
Linken habe nicht ich
zu vergeben.“
Auf den Machtkampf
unter den Jüngern lässt
Jesus sich gar nicht erst
ein. Im Gegenteil.
Jesus zeigt mit seiner
Antwort in eine ganz
andere Richtung. Von Macht
ist auf einmal gar nicht mehr
die Rede:
„Wer bei euch groß sein
will, der soll euer Diener sein,
und wer bei euch der erste
sein will, der soll der Sklave
aller sein.“
Das Wort Jesu muss
erst einmal übersetzt
werden, damit wir seine
Bedeutung für uns Menschen
heute ermessen können.
Haben Sie eine Ahnung,
was es für Sie selbst
in den Kontexten, in
denen Sie sich bewegen,
bedeuten könnte?
Diener zu sein.
Sklave zu sein.
Was heißt dies mit dem
Blick auf die Menschen,
die mir am Herzen liegen?
Was heißt es mit dem
Blick auf die Menschen,
denen ich täglich begegne,
bei der Arbeit, beim Einkaufen
oder denen, die mir Freund
und Freundin sind?
Was heißt es mit dem Blick
auf die Menschen, die mir
anempfohlen sind, als
Lehrer*in,
als Erzieher*in,
als Vater und Mutter,
als Arbeitgeber*in,
unter Kollegen
und Kolleginnen?
Was heißt dies mit
dem Blick auf die Ausübung
von Macht, die mir in
manchen Bereichen
gegeben ist?
Der christliche Glaube
und seine Ansprüche scheinen
dieser Welt und ihren ganz
eigenen Ambitionen
entgegenzulaufen.
Er setzt in vielem
die Prioritäten
anders, misst anders,
gewichtet anders.
Und genau das macht ihn
zu einer Herausforderung
für viele. Möglicherweise
auch zu einer Provokation. –
Weil unser Gott in der
Person Jesus von Nazareth
selbst eine Provokation für
viele darstellt.
Wir glauben an einen Gott,
der nicht an seiner Macht
festhält, der nicht auf seinem
Stuhl kleben bleibt, der nicht
seines Machterhalts wegen
über Leichen geht. Der sich
nicht mir Ellenbogen durchsetzt,
und durch Intrige versucht,
Einfluss und Macht zu
gewinnen, zu bewahren,
sich zu erhalten.
Der christliche Gott
entäußert sich seiner Macht,
macht sich selbst klein,
unterwirft sich, um des
Menschen willen.
Wird selbst Mensch
wie wir, in allem
uns gleich, außer
der Versuchung
zur Macht, außer
der Sünde.
Der christliche Gott
ist nicht um sein eigenes
Ego bedacht, sondern
stellt das Gegenüber
in den Mittelpunkt.
Der Mensch ist und
bleibt ihm ein Anliegen.
„Um Machtmussbrauch
zu verhindern“, meint
der Erzbischof von Bamberg,
„müsse Macht stärker
kontrolliert werden.
Wahrhaftigkeit und Transparenz
bei jeder Amtsführung sind
gefordert. Seilschaften,
Männerbünde und Klüngel –
Quellen des Machtmissbrauchs –
sind mit der Botschaft Jesu
unvereinbar.“
Ein Korrektiv, das
Machtmissbrauch
aufdecken könnte, steckt für
mich, unter vielen anderen
Möglichkeiten, in dem Gebet
des heiligen Franz von
Assisi.
„Herr, was willst du,
dass ich tue.“
Dieses Gebet
stellt nicht die eigene
Selbstbefriedigung
in den Mittelpunkt,
sondern die Absicht
Gottes.
Es bietet eine ganz
andere Perspektive an.
Eine Perspektive die
durchaus befreiend
sein könnte für manchen
Kirchenmann, für manchen
Politiker oder Politikerin
auch für uns selbst.
„Herr, was willst du,
dass ich tue.“