Da liegen Welten
dazwischen.
Zwischen dem Bild,
das das Evangelium
vor meinem inneren
Auge entstehen lässt
und dem Bild, das dieser
Sonntag von Jesus
entwirft.
Jesus hängt
geschunden, geschlagen,
verspottet und gedemütigt
am Kreuz. Gottverlassen
fühlt er sich. Die Soldaten
haben ihren Spaß mit
ihm.
Und:
Jesus sitzt
herrschaftlich
auf einem Thron.
Christus,
der König eben.
Wie man sich ihn
vorstellt.
Der Widerspruch
zwischen diesen Bildern
wirft in mir die Frage auf,
wem ich mich mehr verbunden
wissen soll? Welcher der beiden
mir nun näher steht? Wem
ich näher stehe?
Dem, am Holz des Kreuzes?
Oder jenem auf dem Thron
mit den Insignien der
Macht in seiner Hand?
Der Mann auf dem Thron
erscheint mir unnahbar.
Das Bild, das er abgibt,
ruft Respekt und Achtung
in mir hervor. Übertriebenen
Respekt und übertriebene
Achtung. Zugeben, auch ein
wenig Angst.
Ich frage mich:
Ist er nicht von dieser
Welt und all dem, was
sie ausmacht, zu weit
entrückt?
Nimmt er denn wahr, was
Menschen beschäftigt?
Sie erfreut und
glücklich macht, auf
der einen Seite.
Aber auch, was ihnen
Kummer bereitet und
Sorgen und Angst
auf der anderen
Seite?
Trifft das Bild von
Christus, dem König, das
die Kirche von ihm entworfen
hat und die Geschichte
und die Theologie
durchaus mit den ihnen
eigenen Argumenten
stützen kann, auf den
Jesus zu, den Gott
zu den Menschen
gesandt hat?
Jesus, der Sohn Gottes,
trägt keinen Königsmantel,
auch keine Krone.
Er sitzt auch nicht auf
einem Thron.
Im Gegenteil.
Er mischt sich
unter die Leute.
Er nimmt
an ihrem Leben teil.
Ihre Fragen macht er
zu seinen Fragen.
Er hört ihr Klagen.
Er sieht, worunter
sie zu leiden haben.
Nichts, was Leben kennt
und Leben ausmacht,
ist ihm fremd.
Kein Lachen und
auch kein Weinen nicht.
Er wird verwechselt
mit einem Gärtner am
Auferstehungsmorgen.
Er wird gesehen als
ein Mitreisender, der
sich zu anderen auf
den Weg gesellt.
Er wird begriffen als
ein Fischer, der anderen
gute Ratschläge gibt.
Viele Menschen in
der Vergangenheit haben
Christus, den König, von
seinem Thron heruntergeholt
und versucht ihn den Menschen
wieder nahezubringen.
Den heiligen Franziskus,
zähle ich dazu.
Seinen Auftrag sieht er
nach langem Suchen darin,
bei den Menschen, den Kranken,
den Armen, den Ausgestoßenen
zu sein und ihnen Christus
in Tat und Wort nah
zu bringen.
Als einen, der heilt.
Als den, der rettet.
Als den der erlöst.
Als jenen, der liebt.
Oder Maximilian Kolbe.
Ein Heiliger unserer Tage.
Auch er hat Jesus vom Thron geholt
und ihn zu den Menschen
im KZ gebracht.
Als den, der da ist.
Als einen, der mitleidet.
Als jenen, der hilft und beisteht.
Als den, der sich mit den
Menschen solidarisch weiß.
Menschen wie Franziskus
oder Maximilian Kolbe und
mit ihnen viele
andere dazu, machen Gott
glaubwürdig als einen Gott
der den Menschen nah ist;
der unmittelbar zu erleben
ist, weil er unvermittelt
in das Leben des Menschen
tritt und dorthin kommt,
wo sich dieser aufhält.
Dorthin, wo das
Leben sehr oft nur noch
schmutzig und dreckig
und abgenutzt ist und
es nicht mehr wert ist,
Leben genannt
zu werden.
Dorthin, wo so vieles
in Frage gestellt ist durch
die Zerstörung von Mensch
und Schöpfung.
Dorthin, wo Menschen
keinen Sinn mehr erkennen
wollen. Und auch den Tod spart
er nicht aus.
In der Weimarer Republik
und in der Zeit des Nationalsozialismus
spielte die Verehrung Jesu als König
eine große Rolle. Christen setzten
mit Feiern und Prozessionen zu
Ehren Christi ein Zeichen
gegen die Ideologie des
Nationalsozialismus.
Hervorgestellt sollte
die Königsherrschaft
Gottes werden.
Spätestens seit dem
Aufruf, dass die Kirche wieder
an die Ränder zu gehen hat,
so wie Christus dies ursprünglich
getan hat, scheint mir ein
anderes Licht auf das Fest
heute zu fallen und eine
neue Herausforderung
für uns Christen
zu erwachsen.
Einer Welt, der Christus
und der Glaube an ihn immer
mehr entrückt und fremd
zu werden scheint,
gilt es Christus wieder nahzubringen,
ihn vom Thron zu holen,
indem wir als Kirche,
zu den Menschen hingehen
und ihn als einen den
Menschen nahen Gott
zu verkünden, an den
zu glauben, dem Leben
Richtung und Sinn
gibt.
Und zwar derart,
dass nicht länger mehr
Gewalt und
Terror, die Vernichtung
des Menschen und
der Schöpfung Vorschub
geleistet werden, sondern
dass Verantwortung entstehen
kann - füreinander und das
unschätzbare Gut allen
Lebens.
Christus steht vor allem
an der Seite des Menschen und
sitzt ihm nicht gegenüber.
Unnahbar, unerreichbar,
abstrakt, wie es das Bild
von Christus, dem König,
glauben machen will.
Natürlich ist und bleibt
er der zu Gott und von Gott
Erhöhte.
Alles ist durch ihn und
auf ihn hin geschaffen.
Er ist das Alpha
und das Omega.
Er ist Anfang und Ende
jeglicher Existenz.
Er hält die Zeit in
seinen Händen.
Und dennoch ist und bleibt
er uns Menschen immer auch
nah, näher als wir anzunehmen
und oftmals zu glauben bereit
sind.
In menschlichen Gebärden,
mit menschlichen Zügen.
MÄRCHENPRINZ
So heißt ein Gedicht
von Beatrix Senft:
"du bist nicht der Märchenprinz
stehend auf einem Sockel
umschwärmt
weil weltlicher Glanz
und weltliche Macht
dich umgibt
ein Glanz
der unsere eigene Begehrlichkeit
nach Glanz
zumindest für kurze Zeit
erfüllen soll
NEIN
du bist
CHRISTKÖNIG
und
deine Königswürde
gilt dem Blick in eine andere Welt
eine Welt
der Berührbarkeit
des sich Berühren-lassens
und
der An-rührung
des Wahrnehmens
und
Handelns
an deinem Volk
aus
Bettlern und Lahmen
aus Kranken und Aussätzigen
aus Suchenden und Gescheiterten
und
so wirst du der
CHRISTKÖNIG
der Ersehnte
für alle
die sich vom Funken
deiner liebenden
und
heilbringenden Nähe
berühren lassen
damit ihnen die Hoffnung
nicht ausgeht
und
DU sendest uns
diesen Funken weiterzutragen
damit dein Königreich
Bestand hat
für alle Zeit."
Eine Frage beschäftigt
mich noch vor dem Hintergrund
dieses Gedankens:
Geht es zu einem entscheidenden
Teil nicht auch darum, Christus
wieder in unserer eigenen
Mitte sein zu lassen …
in unserer Existenz als
Gemeinde und Kirche,
in unseren Gremien und
Ausschüssen, in unserem
Bemühen um eine gemeinsame
Zukunft als Gemeinde und
Pfarrei …
auch mitten in unserem
ganz eigenen Leben, Denken,
Reden und Tun, aus denen
er manchmal so sehr
entrückt zu sein scheint?