Allerheiligen

Allerheiligen



Ich tue mich

beim Lesen des heutigen

Evangeliums schwer

mit seinen Worten und

all seinen Verheißungen,

die sie beinhalten. –

Oder sind es nicht

vielmehr Vertröstungen,

die da zu lesen sind?


Vertröstungen für

die Armen,

die Trauernden,

die Sanftmütigen,

die leiblich und

seelisch Hungernden,

die Barmherzigen,

die Verfolgten,

die Geschmähten,

die Friedensstifter.


Jene, die es schon

immer schwer in diesem

Leben und dieser Welt

hatten, haben und sicherlich

auch weiterhin haben

werden, solange sich

diese Erde dreht und

Menschen nicht bereit

sind, sich mit ihren Möglichkeiten,

verantwortlich dafür zu

fühlen, dass diese Verheißungen

nicht billige Vertröstungen

auf ein Jenseits bleiben

müssen, vielmehr dazu

betragen, damit sich das

Sehnen vieler erfüllen

kann.


Karl Marx sprach

einst vom „Opium

für das Volk“ und

meinte, „dass die Religion

der Seufzer der bedrängten

Kreatur sei, das Gemüt einer

herzlosen Welt. Sie sei

das Opium für

das Volk.“



Opium wären

diese Worte sicherlich,

wenn sie die Realitäten

dieser Welt vernebeln

würden, sie nicht anerkennen

würden, vor ihnen den Kopf

in den Sand stecken

würden.


Und wenn sie

nicht um eine Wirklichkeit

wüssten, die über diesen

Realtäten steht, der

Wirklichkeit des

Himmels.


Doch gerade, weil

sie um die Existenz

des Menschen in

dieser Welt wissen,

und dass sie sehr

zerbrechlich ist,

sie nicht beschönigen,

sondern beim Namen

nennen, und die Erfahrung

des Himmels benennen,

erscheinen sie mir glaubhaft,

und aussichtsreich

zu sein.


Mehr noch,

Sie laden dazu ein,

den Wirklichkeiten

des Himmels in dieser

Welt Raum zu verschaffen,

und dies immer mehr.


Es kann nicht allein

die Aufgabe Gottes sein,

Menschen zu trösten,

sie satt zu machen,

sich ihrer zu erbarmen

und sie spüren zu

lassen, dass gerade

die, die am Rande

stehen, von Gott

gesehene und

geliebte Menschen

sind.


Die Seligpreisungen

sind Herausforderungen

in einer Zeit voller Herausforderungen

für uns Menschen, in einer geplagten

Zeit, in einer Zeit der Ungewissheit,

der Friedlosigkeit, der Zerstörung,

zunehmender Einsamkeit,

Irritationen und Verstörungen

des Menschen.


Sie sagen uns

allen Großes zu,

denen, die im Licht

stehen und denen,

die im Dunkeln

sind.


Vor allem doch letzteren.

Die Botschaft des Evangeliums

ist die: dass die zahlreichen

Opfer der Geschichte

Gerechtigkeit finden

werden.


Und dass die Diktatoren

dieser Welt nicht durch

eine billige Gnade durch

das Gericht Gottes

kommen.


Das Evangelium lädt

uns aber auch dazu ein,

uns um dieses Große

in dieser Welt zu

bemühen.

Mitzubauen an dem,

was der Glaube Reich Gottes

nennt.


Uns zu erheben, lautstark

zu protestieren und

tatkräftig zu handeln,

dort, wo diese Welt und das

Leben der Menschen

aus dem Ruder

laufen und all dem

widersprechen, was

uns die Worte Jesu

in Aussicht stellen

und was nicht

auf das Ende

dieser Welt und unseres

Lebens allein terminiert

sein will.


Ich empfinde großen

Respekt und Hochachtung

für die vielen Frauen

und Männer, die in diesen

Tagen ihr Stimmen erheben,

auf die Straßen gehen

und für die Rechte von Frauen

im Irak kämpfen.


Und ich erachte

es als wichtig, sie nicht allein zu

lassen, sich in ihrem Kampf,

mit ihnen solidarisch zu

zeigen.


Solidarisch, mit jeder

Kreatur in dieser Welt, die

am Boden liegt,

ausgeliefert und hilflos,

getreten, geschunden,

eingekerkert, ihrer Würde

beraubt.


„Wenn ich euch so zuhöre

und betrachte mir die Programme

eurer Gemeinden, ihr Christen, dann

kommen mir Fragen,

verzeiht“, schreibt

Lothar Zenetti.


„Sind die Hungrigen nicht mehr

hungrig, die Dürstenden nicht mehr

durstig, die Bedürftigen nicht mehr

bedürftig?


Können die Blinden nun sehen.

die Stummen nun reden,

die Lahmen nun gehen?


Haben Fragende Antwort,

die Zweifelenden Gewissheit.

die Suchenden ihr Ziel

gefunden?


Sind die Armen im Geiste

schon selig, die Trauernden

schon getröstet, besitzen die

Sanften schon das Land?


Wenn ich euch so zuhöre

und betrachte mir die Programme

euer Gemeinden, ihr Christen,

dann kommen mir Fragen,

verzeiht!“


Es gibt diese Verbindung

zwischen Himmel und Erde.

Es gibt diese Verbindung

zwischen unserem Leben

und den Verheißungen, die

sich schon heute auf unser

aller Leben legen möchten.


Gott tut sicherlich das

Seinige, damit diese Verbindung

nicht verloren geht.

Er tat es bereits in seinem

Sohn, seiner Menschwerdung.

Die Garantie seiner

Zusagen schlechthin.


Doch es kommt auch darauf

an, dass wir uns entgegen

kommen, aneinander anknüpfen,

von unserer Seite her kommend

auf Gott zuknüpfen.


Nur so kann der Himmel

geerdet werden. Nur so

erfahren wir, was Gott

mit unserem Leben

gemeint hat und was

er uns in Aussicht

stellt.


Etwas, woran

Menschen, die wir heute

in unserer Kirche als

Heilige verehren

bereits Anteil haben.


Zugegeben:

Damit haben sie uns

allen etwas voraus.

Die Erfahrung des

neuen Himmels und

der neuen Erde.


Während wir

uns im Augenblick

nur als geliebte Kinder

Gottes wissen dürfen

und dass wir Gott ähnlich

sein werden und dass sich

jeder von uns heiligt,

der die Hoffnung

auf ihn, Gott, setzt.

Immerhin dürfen

wir uns als Kinder

Gottes begreifen.


Ich tue mich

beim Lesen des heutigen

Evangeliums schwer

mit seinen Worten und

all seinen Verheißungen,

die sie beinhalten. –


Vielleicht weil ich auch

ahne, dass es nicht bei

diesen Worten bleiben darf,

in einer Zeit, in der für

manchen unter uns

so vieles in Frage

steht.


Nein, die Worte fordern

mich heraus, nach ganz

eigenen Wegen zu suchen,

zum Trost, zur Bereicherung,

zur Sättigung der Menschen

beizutragen und mich weitherzig

ihnen gegenüber zu zeigen.

Huub Oosterhuis formuliert

ein Gebet, darin heißt es:


„Bei allem, was geschieht,

schreckenerregend, menschenunwürdig,

öffne unser Herz und unseren Verstand

für das, was auch geschieht:


Gerechtigkeit, die vollbracht wird,

Menschen, die sich einsetzen

und durchhalten bis zum Ende.


Dass unsere Augen sich öffnen

für die Blitze einer neuen Welt.


Dass wir uns nicht einschüchtern

lassen durch die, die die Macht haben,

wohl jetzt noch, doch einst nicht mehr –

dass wir erfinderisch die kleinsten

Chancen zu nützen lernen,

Frieden zu schaffen und Recht

zu tun.


Dass wir den Mut nicht verlieren,

dass wir der Stimme nicht misstrauen,

die in uns spricht vom Frieden.


Dass wir im Wort uns aufrechthalten,

dass nichts unmöglich ist bei Gott

Ich-werde-da-sein.“



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