Vom Zustand der Kirche

Vom Zustand der Kirche - Lk 9,51-62


„Hoffnung wagen.“

So ist ein Buch

des früheren

amerikanischen Präsidenten

Barack Obama betitelt.

 

In diesem Buch berichtet er

über seine eigene Entscheidung

für den christlichen Glauben.

Er schreibt dabei über den Hunger

im Herzen eines jeden Menschen:

 

Jeden Tag, so scheint es,

absolvieren die Amerikaner

ihr Routineprogramm:

die Kinder zur Schule bringen,

ins Büro fahren,

zu einem Geschäftstermin fliegen,

einkaufen im Supermarkt,

versuchen, die letzte Diät durchzuhalten.

Und irgendwann erkennen sie,

dass etwas fehlt.

Sie kommen zu dem Schluss,

dass ihre Arbeit,

ihr Besitz,

ihre Unterhaltungen,

ihr dauerndes Beschäftigtsein

nicht genug sind.

Sie wollen ein Ziel haben,

einen Rahmen für ihr Leben,

etwas,

das gegen eine chronische Einsamkeit

hilft oder sie aus der öden Tretmühle

des Alltags herausholt.

Sie möchten,

dass jemand Anteil an ihrem Leben nimmt

und ihnen zuhört.

Sie streben nach der Gewissheit,

dass ihr Leben nicht nur eine lange Reise

ins Nichts ist.

 

Du.

Ich.

Jeder Mann,

jede Frau

weiß darum.

Und –

wir spüren es.

Und –

wir ahnen es.

Und –

wir haben Angst,

es zuzugeben

und uns einzugestehen:

 

In allem, was diese Welt

zu geben hat, ist zu wenig,

als dass wir darin,

wirklich und tatsächlich

unsere Erfüllung finden

und unsere Sehnsucht stillen

könnten.

 

Und es treibt viele die Angst

vor der Sinnlosigkeit des Lebens,

vor den zerreißenden Schuldgefühlen,

die sie oftmals mit sich tragen,

vor dem Tod, dem eigenen,

vor der quälenden Einsamkeit,

immer wieder nach vorne,

einfach nur weg von dem

Ort, an dem sie sich

gerade aufhalten.

 

Jesus sendet seine Jünger aus.

Mit ihnen unzählige andere,

die ihm bislang gefolgt waren.

Hingehen sollen sie zu den Menschen.

Sie auf ihren Hunger nach Sinn,

sie auf ihre Sehnsucht nach Leben,

sie auf ihren Wunsch nach Vergebung

und Liebe ansprechen.

Und heilen sollen sie,

jeden, der danieder liegt.

 

Dann kommen sie zurück.

Sie berichten davon,

wie sie Menschen wieder ins Leben

zurückgeholt haben,

wie sie Menschen wieder

den Blick geweitet haben

auf das hin, was tatsächlich

und wirklich zählt,

wie sie Menschen wieder Wege

aufgezeigt haben,

heraus aus den Gefangenschaften,

die ihr bisheriges Leben nur

eingeengt hatten.

 

Jesu Name war ihnen dabei

nicht nur Programm.

Jesu Name war ihnen Stärke

und Kraft, das Böse nicht zu fürchten,

vielmehr das Gute zu tun.

 

„Die Ernte ist groß.“

 

In der Tat.

Wie viele Menschen

irren auch in unserer

Welt heute umher.

Menschen auf der Suche

nach einem Rahmen

für ihr Leben und etwas gegen

ihre chronische Einsamkeit.

Menschen auf der Suche

nach etwas, das sie herausholt

aus der öden Tretmühle des Alltags.

 

Menschen auf der Suche

nach jemanden, der Anteil

an ihrem Leben nimmt

und ihnen zuhört.

 

Menschen auf der Suche

nach dem unverwechselbaren

Sinn ihres Lebens.

 

Menschen

mit einem großen Loch

in ihrem Inneren,

das anscheinend mit nichts

zu füllen ist,

das wirklich hält,

das wirklich trägt,

das wirklich satt macht,

den Hunger der Seele

zu stillen vermag.

 

Die Ernte ist groß …

aber es gibt zu wenig Arbeiter …

 

In der Tat:

Es gibt zu wenig Arbeiter,

in unserer Kirche,

die sich wirklich der

ins Auge stechenden Nöte der

Menschen annehmen.

Es gibt zu wenig Arbeiter,

denen wirklich die Bedürfnisse

der Menschen am Herzen liegen.

 

Es gibt zu wenig Arbeiter,

die wirklichen Anteil nehmen

und zuhören.

 

Es gibt zu wenig Arbeiter,

die hinausgehen,

die Menschen auf

ihre Sehnsüchte ansprechen

und ihnen Wege zu einem

erfüllten Leben aufweisen.

 

Die Wiener Theologin

Regina Polak sieht einen

dramatischen Abbruch

bei der Weitergabe des

Glaubens.

 

„Die katholische Kirche

droht eine ganze Generation

zu verlieren oder hat eine

große Mehrheit schon

verloren“, sagt sie.

 

Und von jenen,

die sich noch beteiligen,

resignieren oder schämten

sich viele für ihre Kirche.

Insbesondere junge

Frauen.

 

Der Vorwurf, der in der

letzten Ausgabe von Christ in

der Gegenwart zu lesen war,

steht im Raum:

 

„Kirche, Kirche und nochmals

Kirche. Die Wahrnehmungen

des Christentums dreht sich

fast nur noch um eine imaginäre

„Institution“, die angeblich

den Anschluss an die Zeit

verpasst hat und sich

von einem Skandal zum

anderen wälzt.“

 

Die Frage stellt sich:

Was ist uns wichtig?

Was ist uns als Gemeinde wichtig?

Was ist uns als Christen wichtig?

Wofür wollen wir stehen?

Für wen wollen wir gehen?

Was ist Sinn und Ziel

unserer Nachfolge?

 

Alfred Delp,

ein dem Nationalsozialismus

zum Opfer gefallener Jesuitenpater

schreibt hierzu:

 

Das Schicksal der Kirche

wird in der kommenden Zeit

nicht von dem abhängen,

was ihre Prälaten und führenden Instanzen

an Klugheit, Gescheitheit,

„politischen Fähigkeiten“ usw. aufbringen.

Auch nicht von den „Positionen“,

die sich Menschen

aus ihrer Mitte erringen konnten.

Das alles ist überholt.

Was zählt ist die Rückkehr der Kirchen

in die Diakonie:

in den Dienst der Menschheit.

Es wird kein Mensch an die Botschaft

vom Heil und vom Heiland glauben,

wenn es uns nicht gelingt einander zu dienen

und füreinander dazu sein.

 

Delps Anliegen spiegelt

sich in aktuellen Debatten

wider.

 

Da heißt es:

Dass die Kirche

zu einer „Mitmachkirche“

werden muss. Sie stärker

von unten nach oben

zu organisieren ist.

 

Die Herausforderung

für die Kirche bestünde

u.a. darin, die Erfahrungen

und Denkweisen junger

Menschen ernster zu

nehmen und sich

mit ihnen auseinander-

zusetzen.

 

Dass sich dies lohnt,

hat mit eine Begegnung

mit einer Gruppe von

Firmlingen in der

vergangenen Woche

gezeigt.

 

Einen ganzen Abend

haben wir miteinander

geredet. Offen, ehrlich,

kritisch, interessiert

aneinander.

 

Das hat mir gut getan.

Davon waren auch

die Jugendlichen

bewegt.

 

Ich weiß,

dass man solche Begegnungen

nicht machen kann. Sie sind

und sie bleiben ein Geschenk.

Doch Kirche sollte offen

bleiben für diese Geschenke

von oben. Sie enthalten

so viel an Segen für

alle Beteiligten.

 

Kontaktanzeige, so heißt

ein Gedicht von Hermann

Coenen:

 

Eine Kontaktanzeige

möchte ich aufgeben

und habe einen Text dafür

entworfen:

Ich suche einen,

der mich trägt,

der mich erträgt,

für den ich tragbar bin,

der mich erträglich findet.

einen, der belastbar ist,

der meine Last aushält

und sie nicht abwirft,

auch wenn ich mir selbst

manchmal zur Last bin.

Auch dann, wenn ich ihm

zur Belastung werde

und lästig falle.

 

Ich suche einen, der mich trägt.

Einen mit straken Schultern, der etwas aushält, einen mit starken Nerven, der durchhält.

Einen Christopherus, der sich auskennt

in den Stromschnellen des Lebens

und der eine sichere Furt weiß.

Einen, der ein bisschen weniger Angst

und ein bisschen mehr Mut hat als ich.

 

Ich wage die Anzeige nicht abzuschicken,

denn ich fürchte, ich bin nicht der einzige,

der solche Wünsche hat.

ich fürchte, da sind zu viele,

die getragen werden möchten,

und zu wenige, die bereit sind

zu tragen.

 

Das ist unsere Not.

Die Not der Kirche:

Dass viele nicht mehr

in der Lage sind zu tragen,

vor allem dieses System

Kirche nicht mehr mitzutragen

bereit sind, weil sie selbst

auf der Suche nach

Befreiung, Heil

und Erlösung

sind.

 

Mit einem Gebet

will ich abschließen:

 

Christus,

unterscheide uns,

damit wir uns unterscheiden!

 

Sprenge uns

von unseren Bänken,

dass wir sie wegrücken!

 

Kreuzige

unsere Gleichförmigkeit

denn in ihr stirbt dein Geist!

 

Schreie

nach unserem Können!

Wie wenig haben wir vollbracht!

 

Aber ermögliche uns

uns zu erheben

mit unseren bleiernen Füßen

mit deiner Lebendigkeit,

dass wir luftig denken

und Feuer und Flamme sind

im Aufbruch.

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