Huub Oosterhuis,
ist ein niederländischer
Priester. Die meisten von uns
werden ihn kennen als Dichter
vieler Lieder in unserem
Gottlob und Verfasser
liturgischer Texte und
Gebete.
„Ich steh vor dir mit
leeren Händen, Herr“,
dürfte eines der bekanntesten
Lieder sein, das man im
deutschsprachigen Raum
mit seinem Namen
verbindet.
„Ich steh vor dir mit
leeren Händen, Herr,
fremd wir dein Name
sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben
rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du
nicht anderen Segen?
Bist du der Gott, der
Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben,
komm mir doch
entgegen.“
Diese Zeilen wiegen
schwer. Sie verraten
Unsicherheit und Zweifel.
Es scheint, als ob vieles
im Leben dessen, der sich
hinter diesen Wörtern
verbirgt ins Wanken
geraten ist. Nichts scheint
mehr sicher zu sein. Sogar
der Glaube an Gott ist
angefragt.
Ich kenne solche Momente
aus meinem eigenen Leben.
Ich bin sicher, dass sich auch
der ein oder andere von Ihnen
in diesen Zeilen wiederfinden
wird.
Unsicherheit,
Zweifel und Angst,
Misstrauen, Hoffnungslosigkeit
und Glaubensschwund, das
Fallen ins Bodenlose, haltlos
und nicht abgesichert zu sein –
das Leben kennt viele
Momente, die diese Stimmungen
und Regungen und Gefühle
heraufbeschwören können.
Wann gab es sie in Ihrem
eigenen Leben? Können Sie sich
noch daran erinnern? Was war es,
das Sie so niedergedrückt hat?
„Bist du der Gott, der
Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben,
komm mir doch
entgegen.“
Manchmal kann dabei
selbst Gott zu einer Frage
werden? Ist überhaupt noch
mit ihm zu rechnen? Sieht er
mich noch? Kann ich mich
auf ihn tatsächlich verlassen?
Wo ist er überhaupt? Ich
spüre seine Nähe nicht
mehr! Hat er mich
aufgegeben?
Solche Fragen sind so alt
wie die Menschheit.
Wie oft mag sich das Volk
Israel diesem Zweifel ausgesetzt
gefühlt haben? Erinnern wir
uns an das Babylonische Exil.
Bei all dem, was es in diesem
fremden Land zu erdulden hatte,
kam mit Sicherheit mehrfach die
Frage auf, ob Gott tatsächlich
noch an seinem Versprechen
festhält, aus diesem Volk
ein Segen für alle werden
zu lassen.
Der Prophet Jesaja lädt sein
Volk dazu ein, nicht mehr
länger über diese Zeiten
der Verunsicherung und des
Exils nachzudenken.
„Denkt nicht mehr an das,
was früher war, auf das,
was vergangen ist, achtet
es nicht mehr! Siehe ich
mache etwas Neues.“
„Bist du der Gott, der
Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben,
komm mir doch
entgegen.“
Jesaja beantwortet
diese Frage mit einem
eindeutigen Ja!
Ja, der Gott eurer Väter, der
Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs ist ein Gott der Zukunft!
Er lässt den Menschen
nicht verlorengehen.
Er holt ihn heraus aus
dem, was immer ihn gefangen
hält und am Leben hindert.
Er will nicht den Tod von
Menschen. Gott will,
dass der Mensch
lebe.
Wenn es nach dem Ermessen
der Pharisäer und Gesetzeslehrer
gegangen wäre, dann hätte
die Frau, die beim Ehebruch
ertappt worden war, am Ende
tot am Boden gelegen.
Blutüberströmt mit
gebrochenen
Knochen.
Doch Gott mischt sich ein.
In Jesus tritt er dazwischen
und macht die Absichten der
vermeintlich Frommen zunichte.
Am Ende lassen alle die Steine
fallen. Und einer nach dem
anderen geht davon.
„Hat dich niemand verurteilt?
Sie antwortete: Keiner, Herr.
Da sagte Jesus zu ihr:
Auch ich verurteile dich nicht.
Geh und sündige von
jetzt an nicht mehr.“
„Bist du der Gott, der
Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben,
komm mir doch
entgegen.“
Eindeutiger kann Gott
einem Menschen nicht zeigen,
wie sehr er ihm entgegenkommt.
Auch hier gilt: Gott macht etwas
Neues. Gott schenkt Zukunft.
Aufrecht kann die Frau
davongehen.
Ich lade Sie ein, einmal
genauer hinzuschauen:
Wann und wodurch haben
Sie in der ganz eigenen und
persönlichen Krise verspürt,
dass Gott etwas Neues
für Sie schafft? Wie hat sich
das Neue angedeutet?
Durch was und durch
wen?
Gott ist Zukunft.
Mit uns gestaltet Gott
Zukunft. Nie an uns vorbei,
nie ohne uns.
Damit Zukunft werden kann,
müssen wir uns die Dinge zunutze
machen, die zukunftsfähig sind.
Dinge, die Zukunft versprechen
und halten, was sie
versprechen.
„Bist du der Gott, der
Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben,
komm mir doch
entgegen.“
Wenn Gott uns tatsächlich
Zukunft verheißt, wenn er
unsere Zukunft ist, dann
gilt es im Vertrauen auf ihn
das Leben zu gestalten,
sich den Herausforderungen,
die das Leben mit sich bringt,
zu stellen und sie solidarisch
zu lösen.
Das gilt für die Welt.
Das gilt für die Kirche.
Das gilt für jeden Menschen.
Wir alle sind eingeladen,
in die Zukunft aufzubrechen
und hineinzuwachsen, die Gott
für uns schon längst
bereithält, mit der wunderbaren
Verheißung in unserem Herzen,
die der Prophet uns allen
zukommen lässt:
„Siehe, ich mache etwas
Neues. Schon sprießt es, merkt
ihr es nicht? Ja ich lege einen
Weg an durch die Wüste und Flüsse
durchs Ödland … ich lasse in der
Wüste Wasser fließen und
Flüsse im Ödland, um mein
Volk, mein erwähltes,
zu tränken.“
Mit einem Gedicht von
Huub Oosterhuis möchte ich
diese Zusage verstärken:
„Er, der gesprochen
hat ein Wort, das bahnt
durch Wüsten einen Weg,
der führt zum Leben.
Spuren von Licht.
Der Schriftzug seiner Hand
ist am tiefschwarzen
Himmel noch zu sehen: durch ihn
bricht ein neuer Morgen für uns an.
Er ruft uns zu: „Ich werd nicht
von dir gehen.“
Er, der für seinen Dienst uns
werben will, und unsere Hand selbst
anzuhalten wagte. Der unsere Angst
und Not getilgt und uns bis jetzt
auf Händen hat getragen. Er, der die
Sehnsucht weckt, die Sehnsucht
stillt – hab Mut, er geht mit uns den
Weg von Tagen.
Von dir ist diese Welt und diese Zeit.
Du lässt bis heute deine Stimme klingen.
Dein Name: Kämpfer für Gerechtigkeit,
dein Wort die Quelle ist, aus der wir trinken.
Dass du auch weiter unsre Zukunft seist
und wir nicht ziellos in Verzweiflung
sinken.“