Das Evangelium macht mich
neugierig. Vielmehr Jesus
selbst ist es, der mein
Interesse weckt.
Ich frage mich, was
er mir noch zu sagen hätte,
möglicherweise über
mich, mein Leben,
die Welt, Gott.
Und was ich davon jetzt
noch nicht tragen kann.
Und was heißt überhaupt:
Nicht tragen können?
Aushalten?
Standhalten?
Durchhalten?
Dulden?
Annehmen?
Akzeptieren?
Leben,
in aller Konsequenz
und ohne Einschränkungen?
Es gibt Wahrheiten,
mit denen ich mir schwer
tue.
Wahrheiten, die mein
Leben betreffen, das Leben
der anderen, eine ganze
Welt und immer wieder
mich, meinen Glauben,
meine Kirche.
Wahrheiten, denen ich
gerne ausweiche, denen
ich mich nicht stellen
will, kann, noch nicht.
Mit denen ich mich
vertraut machen
muss. Die erst
langsam zu meiner
eigenen Wahrheit
werden können.
Gibt es Wahrheiten
über Ihr Leben, die sie
nicht ertragen können?
Mit welchen Ereignissen
Ihres Lebens tun Sie sich schwer?
Über welche Wahrheiten
empfinden Sie
möglichweise
Scham?
Welche Wahrheiten
machen Sie traurig?
Ein ehrlicher Blick
nach hinten konfrontiert
mit der Vergangenheit,
dem bisherigen Leben
und seiner Wahrheit.
Ich weiß, dass nicht
alles richtig gewesen ist.
Ich weiß, dass ich Menschen
verletzt und enttäuscht habe.
Ich weiß im Nachhinein,
dass ich es hätte anders,
besser machen können.
Ja, für manche dieser
Wahrheiten, schäme ich
mich. Wenn ich sie in den
Blick nehme, fühle ich
mich schuldig.
Das ist kein schönes
Gefühl. Das tut weh,
manchmal sehr. So sehr,
dass mir mein Herz
zerreißen will.
Es gibt Wahrheiten,
die wiegen leicht. Sehr
leicht sogar. Ihnen schaue
ich gerne ins Gesicht.
Sie lassen mich dankbar
sein. Versöhnen mich mit
Gott, den Menschen,
der Welt und immer
wieder mit mir
selbst.
Auch sie darf ich
in den Blick nehmen.
Ich muss sie nicht verdrängen.
Im Gegenteil. Auch sie
sind bestimmend, machen
einen großen Teil
der ganzen Wahrheit
über mich und mein
Leben aus.
Gibt es befreiende
Wahrheiten, die über Ihr Leben
ausgesprochen sind,
die Sie nicht an sich
heranlassen können?
Zusagen, denen Sie nicht
trauen wollen? Verheißungen,
mit denen Sie sich schwer tun?
Zusicherungen, die Ihnen gut tun
würden, und Sie aufleben
lassen würden, wenn …?
Jesus stellt die Frage an
Pilatus: „Was ist Wahrheit?“
So als ob es die eine Wahrheit
gar nicht gäbe.
In der Tat,
jeder hat seine ganz eigenen
Wahrheiten.
Jeder seine eigene
Sicht auf die Dinge, die ihn
dann auch zu ganz
unterschiedlichen
Beurteilungen
kommen
lassen.
Das gilt es zu akzeptieren.
Viele tun dies nicht.
Sie kennen nur ihre
Wahrheit. Ihre Sicht
der Dinge. Engherzigkeit
ist die Folge. Kurzsichtigkeit
nicht weniger. Der Blick
über den Tellerrand
geht verloren.
Nur eine Wahrheit
scheint absolut zu sein.
Die Wahrheit Gottes.
Die Wahrheit dessen,
was er uns zu sagen
hat, immer wieder,
durch seinen Sohn.
Sein Wort ist Licht
und Wahrheit,
heißt es.
Was sind die Wahrheiten Gottes,
um die Sie im Augenblick nur ahnen können;
Zusagen, die auch Ihnen ganz persönlich gelten?
Wie könnten diese Wahrheiten lauten?
Welche dieser Wahrheiten möchten Sie sich
immer mehr vertraut machen?
Drei Wahrheiten sind
es, die ich für mich
gerne in Anspruch
nehmen will:
Ich bin gewollt.
Ich bin geliebt.
Ich bin versöhnt.
Menschen suchen
nach Gewissheit;
sie wollen sich getragen spüren,
angenommen,
geliebt.
Diesem Verlangen
kommt Gott entgegen.
Die Wahrheit über
mein Leben ist die:
Ich bin Gottes geliebter
Mensch, ohne Wenn und
Aber, einfach so.
Ob Jesus diese Wahrheit
meint, wenn er sagt,
dass wir sie noch nicht
tragen könnten?
Tragen können würde
in diesem Zusammenhang
auch gleichbedeutend
sein mit „leben können“.
Bin ich mir der Liebe
Gottes zu mir und meinem
Leben bewusst?
Welche Konsequenzen
ergeben sich für
mich aus diesem
Wissen?
Woran zeigt sich,
dass diese Wahrheit
von mir Besitz ergriffen
hat?
Es gibt Menschen, die
diese Wahrheit zum ersten
Mal in der Begegnung
mit einem anderen
Menschen erfahren
und sie dann nicht
annehmen und
glauben können.
Diese Wahrheit berührt
sie so sehr, dass sie auf
einmal zu weinen beginnen,
innerlich erzittern
und ihre Stimme
versagt.
Das sind schwierige
Momente und schöne
und befreiende zugleich.
Die Wahrheit macht
frei, nur am Anfang
tuts ein bisschen
weh, heißt es.
Es tut weh, erkennen
zu müssen, dass ich
kein schlechter, kein
dummer, kein unbeholfener,
kein ungeliebter Mensch bin,
obwohl mir das
andere immer wieder
glauben gemacht
haben.
Welche Wahrheit
über Ihr Leben hat Sie
bislang geprägt? Von
welchen vermeintlichen
Wahrheiten müssten Sie
sich befreien?
Welchen anderen
Wahrheiten verschaffe
dies Raum?
Ich bin gewollt.
Ich bin geliebt.
Ich bin versöhnt.
Mit Gott versöhnt.
Ja, als ein von Gott
bedingungslos gewollter
und geliebter Mensch,
kann ich auch versöhnt
leben.
Versöhnt mit Gott.
Versöhnt mit anderen.
Versöhnt mit mir
selbst.
Ich brauche mir nicht
ein Leben lang den
Mist meines Lebens
anzusehen und in ihm
herumzustochern.
Einmal muss es gut
sein. Darf es gut
sein.
Gott lässt
es gut sein,
in dem er immer
wieder einen neuen
Anfang mit mir
schafft.
Wunderbar!
Auch diese Wahrheit
macht frei. Lässt aufleben.
Immer wieder von neuem
in seine Spur zurückfinden.
Dem Leben trauen.
Und wenn andere
nicht verzeihen können?
Dann nimmt Gott mich an,
trotz meines Versagens.
Das ist eine unverrückbare
Wahrheit:
Ich bin gewollt.
Ich bin geliebt.
Ich bin versöhnt.
Es bleibt die Herausforderung
für viele von uns, in diese
Wahrheiten über unser Leben
hineinzufinden.
Dass wir sie noch nicht tragen
können, das halten Menschen
sich täglich vor Augen, dort,
wo Hass und Krieg die Wahrheit
über ihr Leben ausmachen;
dort wo Streit und Unfrieden
zu finden und noch
lange nicht überwunden sind.
Dort wo Menschen einander
die versöhnende Hand
verweigern, stur
bleiben und auf
Vergeltung
sinnen.
„Wenn aber jener kommt,
der Geist der Wahrheit,
wird er euch in der ganzen
Wahrheit leiten.“
Diese Zusage legt
sich wie eine große
Verheißung über uns
aller Leben, die sich
immer wieder
zeigt.
So will ich beten:
Herr, Deine göttliche Wahrheit
lässt sich vielseitig entdecken,
indem wir die Tiefendimension
deiner Wahrheit in allen
Lebensvollzügen
erkennen.
Regelmäßig schaffen wir
Distanz zu unserem Alltag,
lassen uns herausführen
aus der Diktatur uns
auferlegter Zwänge
und Wahrheiten.
Unser Perspektivenwechsel
öffnet uns Augen und Herz
für deine innerste Wahrheit
im ganzen Kosmos.
Längst bevor wir dich
suchen, wirkst du als Wahrheit
und Kraft in uns, lässt uns
stets neue Hoffnung
schöpfen.
Dank Sie dir
von uns, den Menschen,
die du angenommen hast,
die du liebst und mit
dir versöhnt hast
in alle Ewigkeit.