Hoch droben steht
er, Ludwig, und
schaut in jedem Gottesdienst
auf uns herab und außer
hier in diesen Augenblicken
der Feier, auf die vielen
Besuchergruppen,
die unsere Kirche
aufsuchen, oder
die Menschen, die
hier ein und ausgehen,
kommen zu einem Gebet
in aller Stille.
„Man könnte lange vor
diesem König träumen“,
heißt es in der Literatur,
der auf vielen Kirchenfenstern
als Heiliger abgebildet ist,
wenn man an die Beschreibungen
seiner Zeitgenossen denkt:
„Er hat ein Engelsgesicht …
Augen wie eine Taube …
blondes, sehr schön
gekämmtes Haar …
niemals habe man einen
so schönen Ritter gesehen,
denn er war in den Schultern
breiter als jeder andere …“
Doch lassen wir es mit
dieser Träumerei.
Wenden wir uns der
Frage zu, was es ist, das
Ludwig auf diesen
Sockel erhebt,
was ihn verehrenswert
erscheinen lässt, ihn
heilig macht und damit
auszeichnet vor
uns allen.
Worin darf er uns Vorbild sein?
Zweifelsohne in seiner Haltung
zum Mitmenschen. In seiner
Konsequenz, die Liebe und
die Gerechtigkeit zu leben.
Beides verwirklicht sich nie
am anderen Menschen vorbei.
Insbesondere doch nicht
an jenen vorbei, die gerade
die meiste Aufmerksamkeit
von anderen brauchen:
Arme,
Ausgestoßene,
Kranke,
Hilfsbedürftige in
jeder Hinsicht.
Symbol für Ludwigs
Haltungen gegenüber
diesen Menschen ist jene
Eiche von Vincennes.
Unter ihr hört er sich
die Beschwerden seiner
Untertanen persönlich
an und versucht, die
Gegner miteinander
auszusöhnen.
Seine untadlige
Haltung und seine strenge
Lebensführung bringt
ihm den Spitznamen
„Mönchskönig“
ein.
Ludwig gilt
als Inbegriff des
christlichen Herrschers:
mäßig,
demütig,
entschlossen,
gottergeben,
asketisch,
großzügig,
fromm,
bescheiden,
schlicht,
gerecht,
ritterlich,
höflich,
tapfer.
Seine Herrschaft
ist Frankreich als
ein goldenes Zeitalter
in Erinnerung, in dem
das Land einen ökonomischen
wie auch politischen
Höhepunkt erreicht.
Über die Grenzen des
eigenen Landes hinaus
genießt Ludwig den Ruf,
ein Wahrer des Friedens
zu sein.
Der Einsatz von Waffen
kommt für ihn nur als Mittel
zur Verteidigung in Frage.
Und gegenüber Ungläubigen
zu deren Bekämpfung.
Die Geschichtswissenschaft
wirft, wie erwähnt, auch
einen kritischen Blick
auf diesen Heiligen und
seine Haltungen.
Tatsächlich ist Ludwig
keineswegs friedfertig.
Er regiert äußerst autoritär.
Und während er seine
Mutter geradezu vergöttert,
lässt er seine Frau Magarete
einfach links liegen.
Ludwig ist die Idee
der Kreuzzüge nicht fremd.
Er will Jerusalem und das
Heilige Land aus den Händen
des Islam befreien.
Ludwig hat eine
sehr extreme Haltung
in Fragen des Glaubens
und der Moral. Seine Wahrheit
und seine Sicht der Dinge,
macht er zur Wahrheit
und der Sicht anderer.
Die Absolutheit
in seinen Ansprüchen
nimmt die Wahrheit
und die Sicht des
anderen auf das Leben
und seine Herausforderungen
nicht an. Das erscheint
ignorant, keineswegs
menschenfreundlich.
Widerstand kommt Ludwig
immer dann entgegen,
wenn er seine religiösen
Wertvorstellungen anderen
Personen oder gar dem
ganzen Königreich aufzwingen
will. Seine Kreuzzüge
waren umstritten.
Den Vorwurf muss sich
Ludwig seitens einer Frau
gefallen lassen, nur
„ein König der Minder- und
Predigerbrüder, der Priester
und der Kleriker“ zu sein.
Sein religiöser Eifer
macht ihn auch zum Bekämpfer
der Feinde des Glaubens.
Feinde des Glauben sind
für Ludwig Häretiker,
Ungläubige und Juden.
Ludwig treibt die Inquisition
voran. Das Heilige Buch
der Juden, den Talmud,
lässt er verbrennen.
Er gilt ihm als
eine gotteslästerliche
Schrift.
Es steht nicht
in Frage, dass Ludwigs
Vorgehen den Anfang
einer öffentlichen
Verleumdung der Juden
und eines staatlich
geförderten Antijudaismus
in Europa markiert.
Insgesamt wurde Ludwig
zu einem französischen
Nationalheiligen, dem
nach ihm nur noch
Jeanne d´ Arc an Bedeutung
gleichkommt.
Die Frage, die sich
mir ganz persönlich
stellt ist die:
Was will uns Ludwig
als Patron bedeuten?
Worin kann er uns
Beispiel sein?
Wovor warnt uns
möglicherweise
sein Leben und die
ganze Widersprüchlichkeit,
die es ausmacht?
Ludwig lehrt uns die
Liebe als Weg zum anderen
und zu Gott. An der Liebe
führt kein Weg vorbei,
wenn ein Mensch dem
anderen Menschen und
auch Gott nahe kommen
will.
Das Leben dieses Mannes
lehrt uns aber auch,
dass jede Art von Übereifer
und Extremen, von Absolutheit
und Fundamentalismus die
Liebe in ihr Gegenteil
verkehrt.
Sodann:
Heilige waren nie nur
heilig, so wir kein Mensch
nur gut ist.
Heilige haben ihre Ecken
und Kanten wie Du und
ich auch. Sind oftmals
so widersprüchlich und
innerlich zerrissen; regen
uns nicht destotrotz
dazu an, uns selbst immer
wieder in Gottverbundenheit
und Menschenfreundlichkeit
zu üben.
Schlussendlich will ich
annehmen, dass die Fürsprache
unseres Kirchenpatrons es jedem
von uns ermöglicht, den ihm eigenen
Weg zum Nächsten und zu Gott
zu finden, in der Liebe zu
wachsen und darin Gott zu
gefallen – also auf
seine ganz eigene und
persönliche Weise,
heilig zu werden.
Und darum will beten:
Geleite und begleite du,
Gott, alle, die auf der
Suche sind nach Sinn
und Ziel, nach wirklichem
wahren Leben und Liebe.
Führe und beschütze,
du, Gott, alle,
die unterwegs sind
zwischen verschiedenen
Welten und Kulturen
und Religionen.
Stärke und bewahre
du, Gott, alle, die täglich
ihr Kreuz auf sich nehmen,
um deinem Sohn damit
nachzufolgen.
Lenke und bestärke du,
Gott, alle, die Schritte wagen
und gute Wege suchen,
um die Not zu lindern,
Leid zu mindern,
Trauernden beizustehen,
Verzagte aufzurichten.
Erleuchte und beseele
du, Gott, alle, die am
Rande oder im Schatten
stehen, alle, die am Ende
sind, damit sie sich neu
trauen, nach dir
auszuschauen,
auf deine Hilfe
zu bauen.
Auf die Fürbitte
des Heiligen Ludwigs
heilige auch uns.