Es gibt Worte Jesu,
bei denen ich mich
ernsthaft frage, ob
er tatsächlich meint,
was er sagt.
Sie sind so absolut.
Sie klingen so radikal.
Sie lassen für mich jeden
Blick auf die Gefühle eines
Menschen vermissen:
„Keiner, der die Hand an
den Pflug gelegt hat und
nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.“
Nun weiß ich aber auch,
dass es gerade die Absolutheit
ist, die Jesu Worte unterstreichen
wollen, sie herausstellen wollen,
sie als unbedingt notwendig
erscheinen lassen wollen.
Und das wiederum
versöhnt mich mit dem
Anspruch Jesu, den er
an mich stellt.
„Keiner, der die Hand an
den Pflug gelegt hat und
nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.“
Manchmal bleibt es nicht
aus, manchmal erscheint
es geradezu notwendig
zu sein, zurückzublicken.
Um besser verstehen
zu können, den Lauf der
Dinge, das Leben, die
Menschen, die Welt und
ihre Zusammenhänge.
Um aus dem Vergangenen
zu lernen und um künftig
die Fehler von gestern
zu vermeiden.
Um sich selbst besser
begreifen zu können.
Um Gewesenes
gut abschließen und
loslassen zu können.
Um beherzt und frei den
Weg fortsetzen zu können.
Um einen Neuanfang
zu schaffen.
Wir täten den Opfern
von Missbrauch und Gewalt
in unserer Kirche ein großes
Unrecht an, wenn wir das
Gewesene nicht aufarbeiten
würden.
Das, was war können,
wir nicht
ignorieren, indem
wir nur nach vorne
schauen.
Wir würden einer Erneuerung
unserer Kirche nicht gerecht
werden und möglichweise
sehr Entscheidendes außer
Acht lassen, wenn wir nicht
zu den Anfängen der Kirche
zurückblicken würden
und uns dabei fragen
würden, wie Jesus im
Ursprung seine Kirche
haben wollte.
Kein Mensch könnte
die Trauer in seinem
Leben verarbeiten, wenn
er nicht zurückblicken würde
auf die Zeit mit dem anderen
Menschen, mit dem er
sein Leben geteilt
hat. Wenn er nicht
davon erzählen dürfte,
was ihm der andere
gewesen ist und
immer noch
bedeutet.
Ich glaube jedoch,
dass es bei allem darauf
ankommt, wie wir den
Blick in die Vergangenheit
und in die Geschichte,
und auch in die
ganz eigene Biografie
und den Blick nach
vorne gewichten.
Es gibt Menschen, die
sind so sehr in ihrer
Vergangenheit gefangen
und mit ihr beschäftigt,
dass sie immer nur
auf einer Stelle stehen
bleiben und keinen
Schritt mehr nach
vorne tun.
Es gibt eine Reihe
von Christen, die sind
so sehr mit einer Vorstellung
von Kirche und Gemeinde
von früher beschäftigt,
dass sie verschlossen
bleiben gegenüber
jederart von
Erneuerung
in dieser
Kirche.
Wer die Vergangenheit
über Maßen gegenüber
den Herausforderungen
der Zukunft gewichtet,
der verschließt die
Augen vor dem
Leben, dem wirklichen,
dem schönen, dem spannenden,
dem abenteuerlichen Leben,
gegenüber einer zum Leben
einladenden
Zukunft.
Die Frage nach
der Zukunft richtet
unseren Blick nach vorne.
Es ist die Frage nach
unserer Vision von
Leben und Zusammenhalt
von Menschen in einer
Welt von morgen.
Es ist Frage nach
dem Umgang, dem verantwortlichen,
mit der Schöpfung und den uns
Menschen noch zur Verfügung
stehenden Ressourcen
dieser Erde.
Es ist die Frage nach
der ganz eigenen Lebensgestaltung,
vor den Erfahrungen bisherigen
persönlichen Lebens.
Es ist Frage nach
einer Kirche von morgen
und übermorgen, nach dem,
was wichtig ist, um Gottes
Reich immer mehr
unter uns Menschen
erstehen lassen
zu können.
Haben Sie persönlich
ihre eigene Vision von
Leben schon gefunden?
Wissen Sie wohin ihr
Leben hinzielen soll?
Wissen Sie, was Sie
wollen und was Sie
nicht mehr wollen?
Worauf legen Sie
in der vor Ihnen liegenden
Zeit wert?
Jesus richtet unseren
Blick auf diese Fragen aus.
Er sensibilisiert uns
für unsere Zukunft.
Wir können die Vergangenheit
nie gänzlich ausblenden.
Wir dürfen aber auch nicht
vergessen, dass wir zu etwas
Größerem geboren und
berufen sind. Dass wir
eine Zukunft haben.
Danach
gilt es Ausschau zu
halten. Danach gilt
es beherzt und mit
aller Kraft zu streben,
um eines besseren
Lebens wegen,
eines anderen
Miteinanders
von Menschen
in dieser Welt,
eines anderen Umgangs
mit all dem, was uns
diese Welt zum Leben
zur Verfügung stellt.
Es ist ein Bild von
Walter Habdank, das
mir in diesem Zusammenhang
in den Sinn kommt. Das Bild
trägt den Titel Erwartung.
Es zeigt Menschen
zusammengedrängt
auf einem hohen Baugerüst stehen,
das sich über die Hochhäuser
einer Stadt erhebt.
Alle schauen in eine
Richtung nach oben.
Eine Person hält
ein Fernglas vor
seinen Augen.
Sie hält Ausschau
und scheint von
dem, was sie sieht,
den anderen zu
erzählen.
Wir sollten einander
erzählen, wie wir uns
unsere Zukunft vorstellen,
die eigene, unsere gemeinsame,
die unserer Welt, die unserer
Kirche und Gemeinde.
Das ewige Herumgestochere
in dem, was war und niemals
wieder so sein wird, bringt
uns dabei nicht weiter und
nicht nach vorne.
Es lähmt.
Es bremst aus.
Es verhindert.
Es hält uns davon ab, in
die Gestalt von Leben
hineinzufinden, die
uns verheißen
ist.
So will ich Jesu
Worte verstehen als
eine Einladung zum
Leben, als eine Einladung
miteinander Zukunft
zu gestalten, als eine
Einladung, endlich
zu dem zu werden,
wozu wir berufen
sind.
Einen möglichen Einwand,
den man mir entgegenhalten
könnte, will ich nicht
unbeachtet lassen.
Es ist der Vorwurf,
dass der Mensch
entweder zu sehr
in seiner Vergangenheit
oder zu sehr in seiner
Zukunft lebt und
dass beides in sich
die Versuchung trägt,
die Gegenwart, das
heute, hier und jetzt
zu übersehen, das,
was gerade in diesem
Augenblick angesagt
ist.
Das ist natürlich richtig!
Deshalb ist es genauso
wichtig, sich die Fragen
zu stellen, die uns in
die Gegenwart führen.
Die uns dazu zwingen, uns
auf das Hier und Heute
zu konzentrieren.
Fragen wie:
Was möchte ich jetzt
in diesem Moment?
Was ist mir wichtig?
Was möchte ich ausprobieren?
Mit wem möchte ich zusammen sein?
Was macht mich glücklich?
Was kann ich in diesem Moment tun,
damit es mir gut geht?
Diese Fragen helfen mir,
meine Vergangenheit ein wenig
mehr hinter mir zu lassen.
Mich auf das zu
konzentrieren,
was jetzt gerade –
in diesem Moment –
wichtig ist und was
mir in Zukunft noch
wichtig werden soll.
Ulrich Schaffer sagt
einmal sehr einladend:
Es unser Glück,
dass die Zeit in jeder Sekunde,
in jeder Minute und in jeder
Stunde eine neue ist.
Sie wiederholt sich nicht,
nichts wiederholt sich.
Jeder Moment ist ein Neubeginn –
ein Augenblick der Entscheidung.
Es ist nicht zu spät,
aus Überzeugung zu leben,
nicht aus Routine.“