Die Szene ist ihnen
immer noch vor Augen.
Unvergesslich ist sie.
Wie sollte es auch
anders sein.
Damals hatten
die Menschen einfach
nur Hunger. Doch fünf Brote
und zwei Fische waren
eindeutig zu wenig für
so viele Menschen.
Doch dann geschah
das Wunder: Unzählige
wurden satt. Und außerdem
blieben noch zwölf Körbe
mit Brot übrig.
Je intensiver ich
in die Brotrede des
Evangeliums einsteige
und die weiteren Erzählungen
verfolge, in deren Mittelpunkt
das Brot steht, desto mehr
verstehe ich, dass es Jesus nicht
darum geht, den Hunger des
Magens zu befriedigen. Genau
dies macht er schließlich ja den
Menschen zum Vorwurf.
„Ich folgt mir, weil ihr
satt geworden seid,
weil ihr Wunder
sehen wollt!“
Jesus führt die Menschen
immer mehr an das Geheimnis
seines Lebens heran und dass
er das wahre Brot ist, von dem
die Menschen satt werden
sollen.
Aber das wollen die
Menschen nicht begreifen.
Im Gegenteil. Sie greifen ihn
an. Sie empören sich:
„Wie kann er uns sein
Fleisch zu essen geben?“
„Die Sprache sei die
Quelle aller Missverständnisse“,
sagt einmal St. Exupèry.
Mir scheint, dass es da
eine ganze Menge Missverständnisse
zwischen Jesus und den Menschen,
insbesondere doch den Vertretern
der jüdischen Religion gibt.
Ein erstes Missverständnis
besteht darin, dass es nicht
um eine leibliche Aufnahme
des Fleisches und Blutes
Jesu geht. Jesus spricht
von einer geistlichen
Nahrung.
Das Brot, das er gibt,
und das er selbst ist,
ist eine Nahrung für
die Seele und den Geist
des Menschen.
Das Brot, das er gibt,
und das er selbst ist,
soll nähren in einem
übertragenen
Sinn.
Es spricht meinen großen
inneren Hunger an.
Meine Sehnsüchte, die in
mir wohnen und die mehr
bedeuteten als das Verlangen,
nach einem Happen Brot.
Das Brot, das Jesus gibt und
das er selbst ist, ist die Antwort
auf meine Sehnsucht
nach Liebe, nach Annahme, nach
Versöhnung, nach Frieden,
nach Leben.
Jesus ist das Brot für
das Leben der Welt.
das Brot, das Leben spendet,
das den Hunger stillt
nach Sinn und nach Wahrheit.
das Brot, das uns nährt,
uns Trost und Ermutigung ist,
Wegzehrung für unser Leben.
das Brot, das versöhnt,
das Feindschaft beendet
und Frieden stiftet.
das Brot, das uns eint,
das alle Christen
zum gemeinsamen Mahl ruft.
das Brot, das uns wandelt,
wenn wir einander Brot werden,
indem wir Leben und Liebe teilen.
das Brot - uns gegeben
als sichtbares Zeichen seiner Gegenwart
auf unserem Weg durch die Zeit.
Er selbst, sein Leib, sein Blut,
er in seiner Ganzheit, und nur
er allein, kann die Sehnsucht
des Menschen erfüllen.
In allem, was diese Welt
zu bieten hat und wir einander
geben könnten, ist zu wenig,
als dass wir darin letzte
Erfüllung finden könnten.
So heißt es dann auch
konsequenterweise:
„Wenn ihr das Fleisch des
Menschensohnes nicht esst
und sein Blut nicht trinkt,
habt ihr das Leben nicht
in euch.“
Und genau darum
geht es ihm, dass der
Mensch Leben habe,
Leben in seiner ganzen
Fülle. Leben, über das selbst
der Tod keine Macht mehr
haben soll.
Des Todes Macht aber
ist gebrochen in der Hingabe
Jesu am Kreuz.
Die Einladung,
seine Hingabe in den Zeichen
von Brot und Wein für sich
selbst anzunehmen bedeutet,
mich von ihm stärken zu
lassen und nicht weniger
mich von ihm und seinem Geist
formen zu lassen.
Was damit gemeint ist,
drückt das Lied aus:
„Wer dies Geheimnis
feiert, soll selber sein
wie Brot: so lässt er sich
verzehren von aller Menschennot.
Als Brot für viele Menschen
hat uns der Herr erwählt,
wir leben füreinander
und nur die Liebe zählt.“ (GL210)
Im Letzten geht es darum,
diese Liebe Christi im Mahl
zu schmecken, zu kauen,
zu kosten, sie anzunehmen
und aus diesem Geschenk heraus
das Leben zu begreifen, es
zu leben.
Das Geheimnis einer Liebe,
die sich uns zur Speise gibt
als Wegzehrung für unser Leben.
Das Geheimnis einer Liebe,
die jeder und jede für sich
Tag für Tag neu ergründen muss.
Das Geheimnis einer Liebe,
deren unwandelbare Zusage
Selbstsucht in Güte wandeln will.
Das Geheimnis einer Liebe,
deren tiefsten Grund wir nur erahnen,
indem wir an sie glauben.