Überzeugt zu sein,
ist das eine. Überheblich
zu sein, das
Andere.
Letzteres scheint mir
bei diesem Pharisäer
der Fall zu sein.
Er macht sich groß
auf Kosten seiner
Mitmenschen.
Ihre Defizite nimmt
er in den Blick und die
lassen ihn selbst gut
dastehen:
„Ich bin nicht wie
die anderen Menschen.
Ich bin ohne Zweifel
ein besserer Mensch“,
so beurteilt er sich
und damit die anderen ab.
Indem er die anderen
kleinmacht, wächst
sein eigenes Ego.
Die Versuchung steckt in
jedem von uns, mehr oder
weniger: Gut dastehen
zu wollen, vor den anderen
und auch vor Gott.
Nicht selten geschieht dies
auf Kosten eines anderen.
Zu Lasten anderer.
Eine Pfarrei, eine Gemeinde,
eine Gemeinschaft von
Menschen ist ein sehr
prädestinierter Ort,
an dem diese Versuchung
zu einer Herausforderung
werden kann.
Sie bilden einen guten
Nährboden dafür,
dass Arroganz und
Überheblichkeit
wachsen und
gedeihen
können.
Dabei weiß nur der
einzelne selbst, wie sein
Leben wirklich aussieht.
Sein Bemühen um die
äußere Korrektheit
weist nicht wirklich
auf den inneren
Zustand seines
Herzen, seiner
Gedanken, seiner
Absichten
hin.
Wie authentisch
fühlen wir uns selbst
in unserem Tun, in unserem
Fühlen, in unseren Gedanken,
in dem, was wir nach
außen zeigen, von uns
preis geben?
Sind wir im Gleichgewicht
mit uns selbst? Haben wir
eine gute innere Balance
erreicht?
Oder fühlen wir uns
innerlich zerrissen?
Uneins eben, unecht?
Sind wir mit uns
im Einklang?
Denn darauf käme
es an, vor uns selbst,
wenn wir in den eigenen
Spiegel schauen, vor
den anderen und
nicht zuletzt auch
vor unserem
Gott.
Arm scheint mir
der Mensch zu sein,
der sich aufgrund
der Unzulänglichkeiten
anderer groß fühlt.
Überzeugt zu sein,
ist das eine. Überheblich
zu sein, das
Andere.
Der Zöllner im Dunkeln
scheint weder das eine
noch das andere zu
sein.
Er hat keine Veranlassung
ins Licht zu treten und sich
zu zeigen. Ob Scham dabei
eine Rolle spielt oder
das Wissen um sich
selbst, die wunden
Stellen in seinem
Leben, das Gespür
für das eigene
Versagen und
die Schuld?
Jesus nimmt den Mann
im Dunkeln der Synagoge
in den Blick. Ihm gilt sein
Augenmerk und es liegt
ihm daran, diesen Mann
zurück ins Licht zu holen,
heraus aus der Finsternis,
hinein ins Leben.
Es scheint, als wisse
er um die inneren
Auseinandersetzungen
und die Zerrissenheit und
die Kämpfe in diesem
Mann.
Es scheint, als
berühre er mit seinen
Händen zart seine
inneren Wunden
und Unzulänglichkeiten,
damit diese wieder
gesunden.
Jesus versöhnt den
Mann mit sich selbst
und mit Gott. Ihn,
der bestens um seinen
eigenen Seelenzustand
Bescheid weiß.
All dies versteckt sich
für mich hinter der Aussage,
dass dieser gerechtfertigt
nach Hause geht.
Ist es uns möglich,
uns so zu unseren eigenen
Fehlern und Schattenseiten
zu verhalten, dass wir sie
nicht ausblenden, sie
nicht verdrängen, sie
nicht ignorieren?
Auch darauf käme es
an, wenn wir Heilung
erfahren möchten,
Befreiung aus den eigenen
inneren Gefangenschaften
und der Sorge, nach außen
stets gut dastehen
zu wollen.
„Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.“
Berthold Brecht hat uns
diese Zeilen hinterlassen.
Wir wissen:
Es gibt nicht nur das Gute
auf der einen Seite und das
Schlechte auf der anderen.
Es gibt nicht nur die eine
Wahrheit und sonst
keine. Es gibt nicht
nur Licht oder
Dunkel, wie es Brecht
meint.
Es gibt nicht nur
den Pharisäer und
den Zöllner.
Vieles in diesem Leben,
in dieser Welt und dem
ganz eigenen Leben
spielt sich irgendwo
dazwischen ab.
Einmal tendiert es mehr
zu dieser und ein anderes Mal
mehr zu der anderen
Seite.
Einmal verhalten wir
uns mehr in Richtung
des Pharisäers und dann
wieder in Richtung des
Zöllners.
Auf das Gleichgewicht
käme es an. Die eigene
innere Balance.
Überzeugt zu sein,
ist das eine. Überheblich
zu sein, das
Andere.
Ja, wir haben allen Grund
von uns überzeugt zu sein,
weil Gott von uns überzeugt
ist. Wir brauchen uns nicht
im Dunkeln zu verstecken,
sondern dürfen heraus
ins Licht treten, in das
Leben, zu dem Gott uns
einlädt. Geheilt, erlöst,
befreit, versöhnt.
Und: keiner von uns
hätte wirklich einen
Grund, überheblich zu
sein, schon gar nicht
aufgrund der Defizite
anderer.
Erst recht nicht,
weil kein Mensch aus
sich selbst gerechtfertigt
wäre oder durch sein
Tun, sondern einzig
und allein durch Gott.
Es ist dieses Wissen,
das uns zurückhaltend
sein lässt, demütig und
dankbar zugleich.
Denn:
Keiner hier ist so,
wie er sollte, so wie er
könnte.
Kein Pharisäer,
kein Zöllner,
du nicht
und ich auch
nicht.
Nehmen wir Maßstab
an Christus, dann ist
er der Weg für uns.
Maßstab auch für
eine Kirche, die
selbst immer wieder
der Versuchung
erliegt, überheblich
und arrogant
zu wirken und auf
die Menschen
herabzublicken.