Bis aufs Blut

Bis aufs Blut - Hebr. 12,1-4


Was für ein Text!

Je mehr ich mich mit

ihm auseinandersetze und

ihn auf mich wirken lasse,

desto mehr fühle ich mich

in die Ecke gedrängt.


Er wirft mehr Fragen auf,

als er Antworten gibt.

Er provoziert mehr als

er beruhigen könnte.


Er holt mich aus meiner

Komfortzone heraus

und weist mich auf die

Notwendigkeit hin,

gerade doch als Christ

in einer Welt voller

Widersprüche Stellung

zu beziehen, meinen Glauben

zu leben und dies

in aller Konsequenz.


Was für ein Text!

Ich komme nicht umhin,

diesen Text mit den

Herausforderungen

unserer Zeit in Verbindung

zu bringen und mich zu fragen,

was er mir bedeuten will in dieser Zeit,

in der die Welt Kopf steht und

so vieles aus den Fugen

zu geraten scheint.


Was für ein Text!

Natürlich vernehme

ich auch die Vorwürfe, die mich treffen,

dass ich und andere mehr tun könnten:


Gegen diesen schrecklichen Krieg

in der Ukraine und für alles,

was uns in diesen Tagen einlädt,

gute Lösungen und

Möglichkeiten der Deeskalation

zu finden;


gegen den ganzen Frust

und das Ungute in der Kirche

und für alles, was diese Kirche

den Menschen wieder näher zu bringen

vermag und die Kirche selbst ihren ursprünglichen Absichten,

den Menschen Heil

zukommen zu lassen und

die frohe Nachricht zu sagen;


gegen alles,

was in die verkehrte Richtung

zu laufen scheint,

auch in unserer Gesellschaft

und für ein Miteinander von Menschen,

die ohne den anderen nicht überlebensfähig sind. 


In der Tat:

Luft nach oben bleibt immer.

Immer noch gibt es Raum dafür,

Christsein konsequenter,

authentischer, echter und

entsprechender zu leben.

Doch für welchen Preis?


Was für ein Text!

Er verweist mich auf

Jesus Christus.

Er sagt, dass er bis

zum Äußersten ging.

Mit dem Blick auf das

seinem Leben Verheißene

scheut er sich nicht,

sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Um eines größeren Gutes wegen:

Heil und erlöstes Leben.


Ich frage mich,

was dies für mich persönlich

zu bedeuten hat: Mein Leben aufs Spiel zu setzen. Mich meinem Schicksal zu stellen. Es ihm gleich zu tun und mich hinzugeben.


Ich weiß nicht, ob ich das kann.

Ich weiß auch nicht, ob mir tatsächlich nichts anderes übrigbleibt, als klein beizugeben, immer dann, wenn es hart auf hart kommt. Sie?


„Der Klügere gibt nach“, heißt es,

aber was ist in diesem oder jenem Fall das Kluge, das getan werden muss und dies zur Rettung von Mensch und Welt?


Die Meinungen gehen auseinander.

Es gibt nicht die Lösung. Am Ende

steht jeder allein. Wirklich?


Was für ein Text.

Von Zeugen ist die Rede,

die über ihren eigenen Schatten

gesprungen sind,

die es gewagt haben,

die sich selbst vergessen haben,

das ganz Eigene,

die Christus nachgefolgt sind.


Sie könnten uns ermutigen

das im Glauben als richtig

Erkannte zu tun, zu leben,

zu sein.


So wie es Christus

selber getan hat,

als der das Kreuz auf sich nahm.

Er hat nicht selbst Gewalt ausgeübt,

nicht blutig dreingeschlagen,

nicht den Feind vernichtet,

sondern die gegen ihn geübte Gewalt ausgehalten.


Auf der anderen Seite

hat er sich aber auch zu wehren gewusst.

Sein Wort war oft stärker als manche Waffe in den Händen seiner Gegner.

Jeder, der es ihm gleichtun will,

muss sich des ganzen Unterfangens

bewusst sein!


Was für ein Text!


Ich fürchte mich davor,

ihn in aller Konsequenz

für mich auszudenken und

entsprechend zu handeln.


So weit bin ich dann

doch noch nicht.

Luft nach oben bleibt immer.

Dass ich über mich selbst

hinauswachsen kann,

das traut er mir zu.


Die letzten Zeilen sagen,

dass immer noch mehr getan werden

kann für diese Welt,

für den Menschen;

getan werden kann

gegen alles Vernichtende

und Zerstörende und

Sinnlose. Ich weiß es.


Ich will lernen über

meinen Schatten zu springen.

Immer mehr, um mich

am Ende in den Händen

dessen wiederfinden zu können, dessen Verheißung sich auch über mein Leben legt:

Die Verheißung eines neuen Himmels

und einer neuen Erde.


Was für ein Text!

Ich spüre, dass ich noch lange

nicht mit ihm fertig bin. Er bleibt eine Anfrage. Fordert weiterhin heraus. Provoziert.

Stellt auf einen neuen Weg,

der so ganz anders ist, als die schon ausgetretenen Wege, die zu gehen sich Menschen bisher als Lösung

gewählt haben.


Diesen neuen Weg finde

ich beschrieben in Jesu eigenem Weg.

Bei ihm, der ganz für andere da gewesen war,

an dem ich mein Leben immer wieder zu messen habe, ohne den eigenen Interessen den Vorzug zu lassen.


Ihn will ich darum bitten,

mir den Mut zu neuem Tun zu geben

und mich aus alten Gleisen

herauszureißen.


Christus selbst möge

mir Grund sein, mich an meinem Leben zu erfreuen und mich selbst zu einem Anlass für andere werden lassen, in dieser Welt nicht immer nur das Böse zu sehen,

sondern auch das Gute,

das wir einander geben

und das er groß machen

und vollenden wird.


Was für ein Text!

Was für eine Perspektive,

inmitten dieser

herausfordernden Zeit!


Pierre Stutz macht

diese Perspektive für

sich persönlich konkret

in einem seiner Gedichte:


Mitten in der Härte des Lebens

einander schweigend beistehen

mit duftendem Öl sich gegenseitig

die Hände segnend massieren

 

Mitten im großen Weltschmerz

einander lächelnd begegnen

Dich feiern als Vertrauenskraft

die als innerste Mitte in uns ist

 

Mitten im schmerzvollen

Abschied eines geliebten

Menschen vom unendlichen

Leben erzählen in das wir

liebend eingebunden sind

 

Mitten in den zerstörten Häusern

einander zärtlich umarmen

berührende Chansons singen

die erinnern an heilende

Solidarität.


Share by: