Silvester/Neujahr

Silvester und Neujahr


"Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr."


Mit diesen Worten

beginnt ein Text von Dietrich Bonhoeffer, der Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte. Verfasst im Dezember 1944 in der Gestapo-Haft, ist es Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text vor seiner Hinrichtung am 9. April 1945.

 

Am 8. Oktober 1944 wird er im Zusammenhang mit dem 20. Juli ins Kellergefängnis des  Reichssicherheitshauptamts in BerlinPrinz-Albrecht-Straße 8, verlegt.

 

Von dort schreibt er am 19. Dezember 1944 an seine junge Verlobte Maria von Wedemeyer und fügt dem Brief „ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen“ als „Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister“ an.   

 

Dieses Gedicht bezieht

sich auch auf seine eigene Situation – er musste mit der Hinrichtung rechnen – und die seiner Familie vor dem unausgesprochenen Hintergrund der NS-Herrschaft und des Krieges.

 

Am Anfang des Briefes

schreibt Bonhoeffer:

 

„Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du und die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor.

 

Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‚zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken‘, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“

 

Es ist der letzte Gedanke,

der mich dazu veranlasst,

auf den Text dieses evangelischen Theologen heute, zum Jahresabschluss, so kurz

vor dem Jahreswechsel zurückzukommen:

 

„so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“ 

 

In der Tat,

auch in unserer Zeit,

mehr als 70 Jahre nach Bonhoeffers Tod, brauchen auch wir diese Bewahrung am Abend und am Morgen, angesichts der veränderten und uns oft erdrückenden Mächte und Vorfällen, die uns zu einer Herausforderung geworden sind, wie es sich kaum jemand unter uns zu denken erlaubt hätte, als vor nun fast zwei Jahren die Pandemie anfingt um sich zugreifen und bisher unzählige Tode in der ganzen Welt gefordert hat.

Wer sind die Mächte,

mit denen wir fest rechnen dürfen und die uns am Abend und am Morgen begleiten und umgreifen?

 

Gewiss hätte Bonhoeffer

zu Beginn seiner Karriere

als Theologe und Denker gesagt:

„Gott.“ Aber jetzt? –

Die guten Mächte sind

zu benennen mit seinen Lebensdaten:

Die Eltern, die Freunde, seine Studenten an der Front, sie alle sind stets gegenwärtig für ihn.

 

Seine Gebete, gute Gedanken,

Worte aus der Bibel, längst vergangene Gespräche, Musikstücke und Bücher.

 

Bonhoeffer fallen lauter irdische Dinge ein, wenn er von guten Mächten, die ihn umgeben, spricht. Zwischen all diesen jedoch steht Gottes Güte und Barmherzigkeit. Gott bekommt damit einen Inhalt, der sehr konkret wird.

 

 Was waren Ihnen selbst

in den vergangenen

Wochen und Monaten „gute Mächte“?

Was hat Sie getragen und gehalten?

Was hat Sie gestärkt und aufrecht stehen lassen? Wo haben Sie den Grund Ihrer Hoffnung und Ihres Vertrauens gefunden? Bei wem? –

 

Gott bekommt auch

für uns ein konkretes Gesicht,

in den Dingen und den Menschen,

die uns in der zurückliegenden Zeit auf unserem Weg begleitet haben, die uns unterstützt haben, die uns ausgeholfen haben,

die mit Hand angelegt haben,

die uns ein gutes Wort haben

zukommen lassen, die uns

in den Arm genommen haben,

die uns im Gebet verbunden

waren.

 

Sie machen unser Leben

lebenswert, auch wenn

das Alte immer noch unsere Herzen quälen will und wir den Eindruck gewinnen,

dass es nicht aufhören will, mit

der Angst und der Unsicherheit,

die uns erfüllt, wenn wir

in unsere Zukunft blicken.

 

"Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, die du in unsre Dunkelheit gebracht. führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen. wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht."


Wir feiern den Jahreswechsel.

 

In den Dunkelheiten dieser Welt - und es ist ja nicht nur die Pandemie, die uns Sorgen bereitet und zu einer Herausforderung geworden ist - bekommt Gott einen konkreten Inhalt, ein Gesicht in dem Kind in der Krippe, das uns zusammenführt in der Wärme des Stalls, neue Hoffnung für alle wecken will und sich als Tür zum Leben erweist.

 

"Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang."

 

"Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

 

Bonhoeffer war ein dankbarer Mensch. Er vergaß die Fülle

seiner kurzen Jahre nicht,

keine ihrer Gaben.

 

Und das heißt wohl:

Gott nicht zu vergessen.

 

Die guten Mächte waren

nicht die Adressaten seiner Stoßgebete, sondern das Licht, in dem er atmete. So schreibt er:

 

„Wir haben Gottes Segen

empfangen im Glück und im Leiden.

Wer aber selbst gesegnet wurde, der kann nicht mehr anders als diesen Segen weitergeben, ja, er muss dort, wo er ist, ein Segen sein. Nur aus dem Unmöglichen kann die Welt erneuert werden, dieses Unmögliche ist der Segen Gottes.“

 

Dieser Segen sei mit

Ihnen in diesen Tagen, so wie Gott selbst Ihnen nahe bleibt, in dem Kind, dessen Geburt wir feiern, als Ausdruck unserer Hoffnung, dass gute Mächte sich über uns ausbreiten, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

 


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